KUNST IM ZEICHEN DER KRISE
FABIAN STECH IM GESPRÄCH MIT BIENNALE-KURATOR RALPH RUGOFF
Fabian Stech: Bezieht sich der Ausdruck modern auf eine abgeschlossene Bewegung in der Kunstgeschichte oder eher, wie Sie es in ihrem Titel formuliert haben, auf eine Lebensauffassung?
Ralph Rugoff: Es ist schwierig auf diese Frage zu antworten, denn das Wort modern hat verschiedene Bedeutungen und Konnotationen. Die Künstler der Ausstellung sind alle daran interessiert sich in der zeitgenössischen Welt umzusehen und sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Dabei sind die meisten der Szenarien mit denen wir es heute zu tun haben Erbstücke der Ära der Moderne. Es ist keine Ausstellung, die über die Kunst der Moderne oder modernistische Kunst als ästhetische Bewegung nachdenkt. Aber indirekt setzt sie sich damit auseinander, wie wir mit dem Vermächtnis des Projekts der Moderne umgehen. Mit dem Projekt der Moderne meine ich die großen sozialen und kulturellen Ideen um den Titel: La Vie moderne (Modernes Leben). Dieser Satz wurde zu verschiedenen Zeitpunkten in der Geschichte benutzt und geht zurück auf Baudelaires Essay aus dem Jahr 1863: Le Peintre de la Vie Moderne (Der Maler des modernen Lebens). Raymond Depardon hat vor fünf Jahren einen Dokumentarfilm mit dem Titel: La Vie moderne (Neue Zeiten) gemacht. Der Satz interessiert mich, weil wir ihn immer noch benutzen und er das Jetzt ebenso wie verschiedene historische Momente evoziert. Die Kunstwelt handelt oft so, als sei das Zeitgenössische vom Historischen getrennt. Jede Woche eine neue Kunstmesse oder Biennale irgendwo auf der Welt. Nur das Neue zählt. Für mich besteht das Zeitgenössische…