Thomas Demand
Jede Art von Erinnerung erschafft sich immer wieder neu
von Maria Anna Tappeiner
Als Thomas Demand 2009 seine Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie in Berlin Nationalgalerie nannte, war der Name Programm. Demand wählte gut vierzig Arbeiten aus, mit denen ihn persönlich oder gesellschaftlich etwas mit Deutschland verband, sei es der deutsche Wald (Lichtung, 2003), Helmut Kohls Sitzplatz im Bonner Bundestag (Parlament, 2009), die Badewanne, in der der ehemalige Ministerpräsident Schleswig-Holsteins Uwe Barschel tot aufgefunden wurde (Badezimmer, 1997), die verwüstete Stasi-Zentrale (Büro, 1995) oder auch die Erinnerung an sein eigenes Zimmer im elterlichen Wohnhaus (Kinderzimmer, 2009). Demand arbeitet mit dem kollektiven Bildgedächtnis der Deutschen. Seine Fotografien zeigen oft Schauplätze von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen, die er den Medien entnimmt und als lebensgroße Modelle aus Pappe und Papier nachbaut. Von Menschen und Schriften befreit, zeigen sich die Bilder als nüchterne, auf das Wesentliche konzentrierte Räume, die zu Projektionsflächen für den Betrachter werden. Bild und erinnerte Wirklichkeit verschmelzen zu einem neuen Bildraum und spielen mit dem Prozess des Erinnerns und dem Bildgedächtnis der Betrachter. Im Interview spricht Thomas Demand über sein persönliches Verhältnis zu Deutschland und geht Fragen der nationalen und kulturellen Identität nach.
Maria Anna Tappeiner: Welche Rolle spielt für Sie die nationale Prägung, das Aufwachsen in einem bestimmten geopolitischen Raum?
THOMAS DEMAND: Ich habe lange im Ausland gelebt, und ein Grund, warum ich vor fast sechzehn Jahren wieder von New York nach Berlin gezogen bin, war die Erkenntnis, dass all die Dinge, die man mit der Kindheit aufsaugt, wie zum Beispiel Fernsehserien, Sprichworte,…