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Gespräche mit Künstlern · von Rainer Metzger · S. 198 - 213
Gespräche mit Künstlern , 2002

ERWIN WURM
DU BRINGST ZWEI DINGE ZUSAMMEN, UND ES ERGIBT SICH ETWAS NEUES

EIN GESPRÄCH MIT RAINER METZGER

Seit es eine Gattungsästhetik gibt, also seit dem späten 18. Jahrhundert, beantwortet man, mit Johann Gottfried Herder als herausragendem Theoretiker, die Frage nach dem Unterschied von Malerei und Skulptur gern folgendermaßen: Malen ist Organisation von Oberfläche, und sie arbeitet in erster Linie mit dem Sehen; Skulptur dagegen appelliert an den Tastsinn, und sie arrangiert in erster Linie Körper.

Erwin Wurm, geboren 1954 im steirischen Bruck an der Mur, seit langem in Wien lebend, ist einer der bekanntesten österreichischen Künstler geworden, indem er das Diktum vom Physischen des Plastischen buchstäblich genommen hat. Wurms “One-Minute-“, die “Outdoor-” und die “Indoor-Sculptures”, die seit vier Jahren im Zentrum seines Schaffens stehen, liefern durchgehend Szenarien einer Begegnung des eigenen Körpers mit einem fremden. Der eigene Körper, das ist jene biologisch-sensitive Masse, die ein Bewusstsein von sich erlangt, indem sie sich fühlen fühlt. Der fremde Körper, das ist ein Allerweltsgegenstand, der als Obst daherkommt, als Kleidungsstück oder als Verkehrsschild. Die Begegnung beider schließlich, das ist eine skurrile Operation der Anpassung, des Geschmeidigmachens zweier Dreidimensionalitäten, die augenscheinlich nicht füreinander geschaffen sind.

Wurms Skulpturen-Trias hat für den Besucher seiner Präsentationen selbst nicht einmal plastische Präsenz. Was diese Trias ausmacht, sind Dokumente, großformatige Fotos oder Videoprojektionen. Womöglich hat diese Verfügbarkeit über das Lichtbild zu ihrem großen Erfolg zusätzlich beigetragen. Wurms “Sculptures” sind von perfekter optischer Anziehungskraft. Der internationale Ausstellungsbetrieb und was sich ihm alles angeschlossen fühlt gibt Wurm vielfach Raum für Präsentationen – das Pariser…


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