Heinz-Norbert Jocks
»Europäer«
Über Henri Cartier-Bresson
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 18.10.1998 – 3.1.1999
Henri Cartier-Bresson, schon der Name des Franzosen hat einen Wohlklang, der beseelt. Inzwischen neunzig Jahre alt und immer noch dabei, dauerhafte Bilder von Menschen in ihrer Welt zu entwerfen, wenn auch heute mehr zeichnend denn als genialer Fotograf, als der er weltberühmt wurde, ist dieser Mann eine große Jahrhundertfigur und als solche bereits jetzt Legende und irgendwie auch außerhalb unserer Zeit und doch mitten in ihr. Keiner, der wissen will, wie bestimmte Schriftsteller, Künstler, Komponisten und Regisseure ausgesehen haben, darunter Picasso, Pierre Bonnard, Alberto Giacometti, Max Ernst, Giorgio de Chirico, Lucien Freud, Georges Braque, Alexander Calder, Marcel Duchamp, Beckett, Louis Aragon, William Faulkner, Simone de Beauvoir, Paul Valéry, Arthur Miller, Julien Gracq, Jean Genet oder Jean Renoir, dessen Assistent er bei den Dreharbeiten von Une partie de campagne, Partie de chasse und La Régle du jeu übrigens war, und keiner, der in die Melodie der Pariser Lebensform und deren einzigartige Atmosphäre verliebt ist, weshalb er sie wieder und wieder gerne hört, kommt an ihm, besser an seinem so subtilen wie subjektiven Blick vorbei.
Wer kennt nicht jenes wunderbare Porträt von Jean-Paul Sartre, dem radikalen Existentialisten der Freiheit, 1946 aufgenommen auf der nebeligen Seine-Brücke, deren Fluchtlinie auf den Louvre, diesen Ruhekoloß in Stein, in naher Ferne verweist. Es zeigt den an seiner Pfeife ziehenden Intelektuellen im zugeknöpften Wintermantel mit Pelzkragen dabei, wie er einem anderen, der ihn um einen Kopf überragt und am rechten Bildrand zur Hälfte vertikal…