Gegenstimmen
Kunst in der DDR 1976 – 1989
Martin-Gropius Bau
16.07. – 26.09.2016
von Michael Nungesser
Am 13. November vor vierzig Jahren gab der Liedermacher Wolf Biermann, seit Jahren in der DDR wegen Systemkritik öffentlich zum Schweigen verurteilt, ein Konzert in der Kölner Sporthalle, das zur Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft führte. Für und Wider spalteten das Land. Fortan wuchs im Kulturbereich der Widerstand gegen das Regime, der schließlich, auf breiterer Basis, zum Ende der DDR führte. Diese künstlerischen „Gegenstimmen“ präsentieren die Kuratoren Christoph Tannert und Eugen Blume, beide kritische Wegbegleiter von damals, in einer Ausstellung mit ca. 80 Künstlern (mit umfangreichem Begleitprogramm); Veranstalter ist die 1990 gegründete, Ost und West zusammenführende Deutsche Gesellschaft e.V.
Ironische Verdichtung zum Geleit: Barde Biermann (als janusköpfige Büste von Sabina Grzimek, als Sänger auf Schallplattenhüllen) zwischen offizieller DDR-Kunst (als Briefmarkenmotive in Vitrine: abgeschlossenes Sammelgebiet) und opponierender Radikalkunst (Großfotos der Dresdner Autoperforationsartisten). Die Ausstellung umfasst Gemälde, Zeichnung, Collage, Foto, Bildhauerei und Installation unterschiedlichster Ausdrucksformen: Anregungen von Picasso bis Polke, von Bauhaus bis Beuys, angereichert mit spezifischen Lebenserfahrungen aus dem Dunkeldeutschland der Endphase. Die Generation der um 1950 Geborenen überwiegt – mit wichtigen Ausnahmen: A. R. Penck“ und seine „Standart-Bilder“, Peter Herrmann, der schon früh mit „Jury“ und „Der ewige Soldat“ den Finger in die Wunde legt, Strawalde (alias Jürgen Böttcher), der malerisch-zeichenhafte „Rätsel“ aufgibt.
Böse Realität in kalter Sachlichkeit ist selten. Martin Hoffmann erfasst sie mit Amtszimmer, Berliner Mauer oder Krankenanstalt. Ansonsten dominiert malerische Figuration in kantig-expressiv Wucht: mit Tiersymbolik bei Hendrik Grimmling („Die Umerziehung der Vögel“) und Jürgen Schäfer („Umarmung“), mit Menschen, einsam…