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Magazin: Bücher · von Ingo Arend · S. 407 - 407
Magazin: Bücher , 2004

Gemischte Gefühle

Soll man zu seinen Empfindungen stehen? Auf diese billige Frage könnte man das neue Buch von Konrad Paul Liessmann reduzieren. Jeder, der eine Ausstellung besucht hat, kennt das Gefühl, beim Anblick des Gezeigten den ersten Eindruck von Begeisterung oder Entsetzen nieder gekämpft zu haben, weil es ja um etwas Höheres geht: eben Kunst!

Reiz und Rührung – das titelgebende Begriffspaar entlehnt der Wiener Philosophieordinarius Liessmann aus Immanuel Kants “Kritik der Urteilskraft”. Abschätzig hat der Philosoph, der vor 200 Jahren starb, damit das autonome Urteil gegen alle Anfechtungen der Emotionen verteidigt. Liessmann will nun diese von Kant geächteten “Empfindungen” wieder ernst nehmen. In diesem subjektiven Konnex liegt der kulturphilosophische Sprengstoff seines Buches. Der Philosoph sieht sie längst nicht mehr als den hortus conclusus des Schönen und Erhabenen oder in erster Linie als Hegels oder Adornos Ausdruck von Wahrheit. Für ihn ist die Kunst ein so ubiquitäres Reizsystem in der postmodernen Erlebnisgesellschaft, ein so profanes Moment der Alltagskultur geworden, dass man mit den klassischen Kategorien nicht weiterkomme, wenn man ihre Wirkungen analysieren wolle. “Im Schock”, so fasst Liessmann die Eskalationsspirale in der Ästhetik der Gegenwart treffend zusammen, “kulminieren Reiz und Rührung”. Nicht nur die Dschungel-Show gibt ihm Recht.

Mit dem Schlüsselwort “Empfindungen” will Liessmann nicht zurück zum subjektiven Geschmacksurteil. Er hat nichts Voraufklärerisches im Sinn, sondern nimmt nur die Vielfalt der Gefühlsregungen ernst, die mit der Rezeption von Kunst ver- bunden sind. Dabei schwankt er etwas bei der Abgrenzung der Begriffe, um die es ihm geht. Einmal spricht er von “vermischten Empfindungen”. Ein…

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