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Titel: Lebenskunst als Real Life · von Georg Schöllhammer · S. 206 - 210
Titel: Lebenskunst als Real Life , 1998

GEORG SCHÖLLHAMMER
Logik des Wir und Jetzt

AN WELCHEN QUELLEN NÄHRT SICH DENN DIE AKTUELLE KONJUNKTUR DES HYBRIDEN?

Seit einigen Jahren gibt es in der europäischen Gegenwartskunst eine Art Fluchttendenz. Ihr Thema ist ebenso bezeichnend wie verfänglich. Ihre Protagonisten sind ebenso jung, wie von einem Kunstbetrieb, der seiner Verunsicherung entkommen will, gehypt.

Ästhetisierende Lebenspraxis

Ihre Utopie ist eine auf den ersten Blick bescheidene. In ihrer Arbeit dreht sich vieles, ja nahezu alles um alltägliche Beziehungen und Selbstreflexion. In diesen neuen Rückzugsgebieten leben Künstler und Künstlerinnen, die ihr Privates, ihren Körper oder den ihrer Liebhaber, ihrer Freunde und Nachbarn zum Inhalt ihrer Installationen, Filme, Texte, Fotografien oder Videos machen.

Diese Künstler, die in ihren hybriden Überlebensstrategien ihr Privates als Werkfeld aufbauen, arbeiten in ihren anderen Leben als Gitarristen, Putzfrauen, Kuratoren, Verleger, Anthropologen, DJs oder Psychogeographen, Bartender etc. Und sie arbeiten damit sehr modern. Sie haben die Bedingungen des neuen Arbeitsmarktes nach dem Ende der sozialen Marktwirtschaft akzeptiert. Akzeptieren müssen. Sie halten gegen diese Veränderungen ihr Leben.

Eine kluge Politik? scheinlich! Allseits sind derzeit in Europa nämlich auch die Galerien und Kunstvereine, die selbstorganisierten Wohnungsausstellungen und Fanzines voll von Subjektivismen, die die große Welt des emergenten Kapitalismus und seine Waren- und Bildarsenale ins kleine, einfache Leben zurückholen, sie dort bearbeiten, umdeuten und dann wieder in die Öffentlichkeit, und sei sie die beschränkte, kleine der Kunst und Clubs, zurücktransportieren. Verdienen läßt sich zwar noch wenig mit dieser Art ästhetisierender Lebenspraxis, es sei denn man heißt Wolfgang Tillmans oder The Prodigy.

Aber nach dem großen Retro-Sommer 1997, mit Biennale Venedig und…


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von Georg Schöllhammer

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