Düsseldorf
Produktive Bildstörung
Sigmar Polke und aktuelle künstlerische Positionen
Kunsthalle Düsseldorf 13.11.2021–06.02.2022
von Heinz-Norbert Jocks
Vielleicht aus professioneller Hilflosigkeit und, weil man sich verdammt schwer damit tut, seiner aus dem Experiment heraus entwickelten Bildvermehrungswelt adäquat und im ganzen Umfang ihrer so subtilen wie raffinierten Verwertung, Hinterfragung, Transformierung und Überschreibung zu begegnen, wurde er in Feuilletons als letzter Dada-Nachfolger, schmunzelnder Ironiker, Meister des Stilpluralismus, deutscher Anarchist, nimmersatter Bildallesverwerter, gewiefter Jongleur zwischen Hohem und Banalem oder missionsloser Politkünstler gefeiert.
Sigmar Polke, der, 1941 in Oels geboren, bei Gerhard Hoehme und K.O.Goetz studierte und mit Gerhard Richter und Konrad Lueg augenzwinkernd den Kapitalistischen Realismus ausrief, ist als virtuoser Produzent einer unbegrenzten Bildwelt in die Kunstgeschichte eingegangen, der sich wie ein glitschiger Aal sämtlichen Etikettierungsversuchen entzieht. Zu seinem 80. Geburtstag setzt die von seiner Tochter Anna Polke gegründete Stiftung gemeinsam mit der Kunsthalle in Düsseldorf das Werk in Bezug zu Arbeiten von Kerstin Brätsch, Phoebe Collings-James, Raphael Hefti, Camille Henrot, Trevor Paglen, Seth Price, Max Schulze und Avery Singer. Zum einen, um der Frage nachzugehen, wie nachgeborene Künstler auf den Bildersturm und die inflationäre Manipulation im virtuellen Zeitalter reagieren, und zum anderen, um Polke in den Kontext gegenwärtiger Bild- und Mediendiskurse zu hieven. Denn so frei und lustvoll wie er mit den zu seiner Zeit verfügbaren Medien, Techniken und Bildern umsprang, dabei gattungsspezifische Grenzen überlistete und Übertragungsfehler, Qualitätsverluste und andere Störungen produktiv ausbeutete und ausschlachtete, lassen sich auch die ausgewählten Künstler auf die technologischen Entwicklungen ihrer Zeit ein und machen sich auf ihre Polke-verwandte Weise das ansteigende Bildkontinuum…