Sophie Calle
Was in Erinnerung bleibt
Ein Gespräch von Oliver Zybok
Nach ihrer Rückkehr von einer langen Reise um die Welt, begann Sophie Calle 1978 ihre fotografische Karriere. Da sie ihr Talent eher im Schreiben als im alleinigen Fotografieren sah, verband die Tochter eines Kunstsammlers ihre Bilder mit Texten, deren Inhalt aus autobiografischen Ereignissen besteht. In ihren Ausformulierungen versucht sie sich so kurz wie möglich zu halten, um den Menschen in wenigen Sätzen, mit wenigen Worten das Wesentliche mitzuteilen. Bei einem ihrer ersten Projekte – Suite Vénitienne (1979) – verfolgte sie einen Mann, den sie kurz zuvor auf einer Party kennen gelernt hat nach Venedig, um ihn unauffällig wie ein Detektiv zu beschatten. In der Zusammenstellung scheinbar heimlich aufgenommener, unscharfer Bilder mit Karten, die den Weg der Verfolgung dokumentieren, und Texten, in denen Fakten mit persönlichen Gedanken verknüpft sind, wird eine die Fantasie beflügelnde narrative Spannung erzeugt. Von diesem Moment an sollte das Thema der Abwesenheit Sophie Calles Werk bis in die Gegenwart hinein bestimmen. Die oft beiläufig erscheinenden Fotografien mit den kurzen, sie begleitenden Texten erinnern an die knapp gehaltenen Kommunikationsformen der Gegenwart in den zahlreichen Social-Media-Kanälen, zu denen hinsichtlich von Bild-Text-Kombinationen unter anderem Memes zählen.
Oliver Zybok: Sie haben Anfang 2020 kurz vor dem ersten Lockdown in der Corona-Pandemie unter dem Titel Was bleibt nach fünfzehn Jahren im Kunstmuseum Ravensburg erstmals eine Werkschau in Deutschland eröffnet. Sie zeigten sechs Werkgruppen mit Arbeiten von 1986 bis 2019. Dem Titel nach könnte es sich bei der Schau um ein vorläufiges Resümee…