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Magazin: Bücher · von Rainer Metzger · S. 407 - 409
Magazin: Bücher , 2008

Rainer Metzger
Relektüren

Folge 26

Die Anziehungskraft der Anleihen, es ist an dieser Stelle schon öfter zur Sprache gekommen, übt ungebrochen ihre Magie aus. Da mag die Kunst noch so vielfältig sein, der Einfalt, mit der heutzutage zum Beispiel Jacques Rancière bemüht wird, tut es keinen Abbruch. Vor einigen Jahren war es Michel de Certeau mit seinem 1988 auf deutsch als „Kunst des Handelns“ erschienenen Buch, der plötzlich überaus en vogue geraten war. Meistens war es die selbe Stelle, die man bemühte, aufzufinden so um Seite 180 des Merve-Bändchens. Dass de Certeau Jesuit war und in den Sechzigern eine Publikation herausgegeben hat, die auf den einprägsamen Titel „Christus“ hörte, mochte dafür wohl weniger verantwortlich sein. Womöglich lag es eher daran, dass besagte Stelle exakt jener entsprach, in der die Textsammlung „The Cultural Studies“, herausgegeben von Simon During, erstmals publiziert im Jahre 1993 von Routledge, London und New York, Monsieur de Certeau die Ehre gibt. Unter diesem Label und unter diesem Verlag war das Zitat geradezu ein Must.

Das Neue war also nicht der Name De Certeau, und daran, dass Konjunkturen bei den Wortspendern herrschen, hatte man sich längst gewöhnt. Das Neue war die Quelle. Intellektuelle Moden bestehen darin, dass die Einflüsterungen der Sekundärliteratur entnommen werden. Dieses Prinzip hatte sich nun vereinfacht: Dank einer Flut von Anthologien oder neudeutsch: Readern musste man sich nicht mehr zu Fußnoten durcharbeiten und dort mühsam Originalstellen entnehmen. Sie lagen jetzt offen zutage als Extrakte eines Archivs, das ein gütiger Herausgeber erschlossen hatte. Zu allen der gerade aufgekommenen Wissensformationen…


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