Christiane Fricke
Russischer Futurismus
Von der Heydt-Museum Wuppertal und Kunst- und Museumsverein Wuppertal, 17.9. – 26.11.2000
Filippo Tommaso Marinetti war erstaunt. Da hatte er sich Anfang 1914 eigens auf den Weg nach Russland gemacht, um zu sehen, ob dort die Saat der Zukunftskunst Futurismus aufgegangen war; und was musste er sehen? Nicht die Zerstörung der Vergangenheit strebten die russischen Kollegen an, sondern im Gegenteil: Seiner Meinung nach orientierten sie sich an den ältesten Quellen (Ikonenmalerei), auch an den nationalen (Volkskunst). Marinetti nannte den russischen Futurismus deshalb “Sauvagismus” (vom französischen Wort sauvage – der Wilde, der Urmensch) und seine Anhänger dementsprechend “Urmenschen” anstatt “Zukünftler”, wie sie sich selber nannten.
Von den “Wilden” Russlands spricht Sabine Fehlemann, Direktorin des Von Der Heydt-Museums in Wuppertal, in Anlehnung an den “Vater” des russischen Futurismus, den Maler David Burliuk (1882-1967). Sie übernahm die vom Staatlichen Russischen Museum St. Petersburg organisierte Ausstellung, nachdem klar wurde, dass es nicht zu der von ihr gewünschten Einzelausstellung über Burliuk (1882-1967) und seinen Bruder Vladimir (1886-1917) kommen würde. Von Vladimir ist zu wenig erhalten, und das Oeuvre Davids zeichnet ein qualitativ so heterogenes Bild, dass man Abstand von einer repräsentativen Schau nahm.
Die innovative Kraft des Künstlers erschöpfte sich nämlich mit seiner Übersiedlung nach Japan 1920 und 1922 in die USA zunehmend in Experimenten, die einen naiven Figurenstil mit dekorativen abstrakten Elementen verbinden. In Japan versuchte Burliuk noch, das futuristische Stilprinzip der Darstellung von Bewegung in Bilder umzusetzen, die ansonsten stark dem Gegenstand verhaftet sind – Beispiel: “Japaner, den Fisch ausschlachtend” (1922). In Amerika…