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Titel: Dialog und Infiltration · von Jürgen Raap · S. 150 - 151
Titel: Dialog und Infiltration , 1999

GEORG DIETZLER
Skulpturale Versuchseinheit

Der Bildhauer Georg Dietzler verbindet eine innovativ-experimentelle künstlerische Strategie mit ökologischem Nutzen: sein Projekt “Skulpturale Versuchseinheit – Biologische Bodensanierung ‘Austernpilz frißt Altlast'” beschreibt er als “ästhetische Thematisierung” der ökologischen Rekultivierung kontaminierter Industriebrachen: auf einer mit Produkten der Chlorchemie (z.B. polychlorierte Biphenyle PCB) verseuchten Fläche wird ein ca. 100 qm großes “Versuchsfeld” angelegt – als Nährboden für Austernpilze, die gemeinhin als Gourmet-Delikatesse bekannt sind. Bahnschwellen und andere Holzteile bilden eine “skulpturale Platzanordnung”; sie werden ebenso wie der Nährboden mit Austernpilzsporen geimpft. Je nach Witterung bildet sich innerhalb weniger Wochen ein Pilzgeflecht, das in der Lage ist, “PCB-Verbindungen aufzuspalten, durch organische ‘Sprengungen’ der toxischen chemischen Verbindungen in nicht-toxische Substanzen, ohne Giftstoffe im Pilzkörper einzulagern”.1 Dietzlers Erfolgsbilanz: im Laborversuch baute der Austernpilz PCB zu 90 % ab, beim Feldversuch immerhin 60 %.

Hochwertige Gartenerde entsteht dadurch freilich nicht, doch für die Abdeckung von Mülldeponien und deren Begrünung einet sich der solchermaßen gereinigte Boden durchaus. Dietzler dokumentiert den Projektvorgang mithilfe elektronenmikroskopischer Photographien und mit Zeichnungen. Seine Arbeit tangiert vordergründig Fragen nach der “Kunst im öffentlichen Raum”, aber sie zielt eigentlich auf die langfristige Entwicklung einer “biotechnologischen Bodenkläranlage”: nach Angaben des Bundesumweltministeriums stehen seit Mitte der neunziger Jahre 26.000 “unumgänglich notwendige Altlastensanierungen” an, nicht nur in den ostdeutschen Industriebrachen und Manövergebieten.

Als Ausstellungsbeitrag im Pariser “Jardin des Biotechnologies” (Cité des Sciences et de L’Industrie) 1997 legte Dietzler die Nährböden so an, daß unterschiedliche “Kultursubstrate” mit zerkleinerten Kartoffeln, Laubholzstückchen, Kaffeesatz und Papier “Feldzeichnungen” hervorriefen. Diese “Feldzeichnungen” wurden “durch verschiedenste Wachstumsstadien der Pilze und deren Absterben…


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