Hans-Dieter Fronz
Valie Export. Archiv
»Kunst in performativem Dialog mit der Stadt«
Kunsthaus Bregenz, 29.10.2011 – 22.1.2012
Am Anfang war, es konnte auch gar nicht anders sein, der Skandal. Wer einen Freund – sein Name: Peter Weibel, heute Direktor des ZKM in Karlsruhe – auf allen Vieren an kurzer Leine durch die Straßen von Wien führt oder sich einen Kasten mit textiler Sichtblende vor die nackte Brust hängt, um sich auf dem Wiener Stephansplatz von Passanten begrapschen zu lassen, darf sich über öffentliche Erregung und Anfeindung nicht wundern. Und tut dies auch gar nicht, weil die Provokation mit Kalkül geschieht. So haben die Skandale der Sechzigerjahre Valie Export allererst bekannt gemacht und ihren Namen im Gedächtnis der Kunstwelt verankert.
Wütender Protest und Skandale – aber fast gleichzeitig war da: das Archiv. Denn als Künstlerin ist Valie Export seit Anbeginn immer auch die sorgfältige Dokumentaristin ihrer Kunst – all der Aktionen und Performances, konzeptuellen Fotoserien, experimentellen Filme und Spielfilme, die sie in den über vier Jahrzehnten seitdem geschaffen hat. Ganze Räume füllen heute Regale mit Ordnern, Kisten und Schachteln, in denen sie die materiellen Relikte ihrer Werke aufbewahrt: Skizzen und Zeichnungen, Notizzettel und Drehbücher, Fotografien, Zeitungsartikel und Plakate. Der berechtigte Stolz derer mag sich darin ausdrücken, die „nur“ an der Linzer Kunstgewerbeschule studiert hatte und die doch – blutjung, sexy und mit Wuschelhaar – zu einer Art Popstar der Kunst avancierte.
Gleichzeitig jedoch verweist diese Sammelleidenschaft auf so etwas wie ein Unruhepotential ihrer Kunst: die Neigung, das scheinbar fertige Kunstwerk als unabgeschlossen zu betrachten; die…