Venezia (im)possibile
KÜNSTLERISCHE ÖFFNUNG IN DER LAGUNE
VON PAOLO BIANCHI
Die Verheißungen des Südens locken: Es geht um Hitze und Draußensein, Strände und Kornfelder, Kindheit und Nacktes, Sonne und Glück. Im Nachtzug aus Zürich treffen sich die Aficionados der Kunst auf dem Weg in die Perle der Adria. Es ist ein Vorwärts in die Vergangenheit, in eine malerische und zugleich kitschige Kulisse. Das große Sinnliche der Kunst und der Serenissima ruft. Der Schein trügt, denn Venedig kämpft mit komplexen Problemen: Umweltverschmutzung und Hochwasser bedrohen die Bausubstanz, und interne Migration schwächt die Bevölkerungsstruktur. Mit 65 000 Einwohnern lebt heute nur noch ein Fünftel der Venezianer in der Lagunenstadt. Der mitreisende Philosoph aus Düsseldorf empfiehlt (so ließe es sich bei Brodsky nachlesen), stets einen Regenmantel mitzunehmen. Kopfnicken. Eigenartigerweise steigt er dann im “häßlichen” Mestre aus und nicht im “schönen” Venedig. Die Fahrt führt durch den als ökologisches Notstandsgebiet bekannten Hafen Portomaghera. Die täglich zu Zehntausenden das Zentrum in der Lagune heimsuchenden Touristen kümmert dies wenig. Kultur, glamouröses Shopping und cucina italiana stehen auf dem Programm. Und das Vielvölker-Pendeln zwischen dem Café Florian und den Giardini einer universellen Glaubensgemeinschaft, die mit, von und in der Kunst lebt. Und, ganz neu, der freie Zugang zu dem bis anhin für die Öffentlichkeit geschlossenen Militärgelände des Campo dell’Arsenale.
Wundersame Zeitkunst
Harald Szeemann, 66, der für vier Jahre gewählte Direttore, hat versprochen, der 48. Biennale ganz neue Impulse zu geben, ohne dabei das Weichbild dieser altehrwürdigen Kunstinstitution zu verletzen: “Ich will Ghettos vermeiden, und das Publikum wird einen langen Spaziergang voller…