59. Biennale Venedig 2022
The Milk of Dreams
Biennalen sind Seismographen des aktuellen Kunstgeschehens. Sie reagieren sensibel auf gesellschaftliche Veränderung – und dies trifft ganz besonders auf die 59. Biennale Venedig zu. Nach einer pandemiebedingten einjährigen Verzögerung und mit dem Schrecken eines andauernden Krieges in Europa steht diese Edition ganz im Zeichen des Wandels: Erstmals dominieren Künstlerinnen, erstmals nehmen auffallend viele Schwarze und genderfluide Künstler*innen teil und erstmals sind indigene Gruppen eingeladen. Zur Hauptausstellung mit dem Titel „The Milk of Dreams“, angelehnt an das gleichnamige Kinderbuch der Surrealistin Leonora Carrington, lud die Kuratorin Cecilia Alemani vorwiegend weibliche Künstler*innen bei nur 10 Prozent männlicher Kollegen aus 58 Ländern ein, von denen 180 erstmals in Venedig zu sehen sind. Auch die 80 Länderpavillons zeigen neue Wege, so wurde z. B. der Nordische Pavillon zum Sami Pavillon umgetauft. In den Pavillons von Chile, Mexiko und Philippinen geht es nicht mehr nur um Kunst im engeren Sinne, sondern um Wissensvermittlung und die Neupositionierung von Handwerk. Kunstausstellungen, das zeigt diese Biennale, werden zunehmend zu Wissensplattformen, bei denen mit wissenschaftsfremden Vermittlungsformen experimentiert wird.
KUNSTFORUM International begleitet das einzigartige Großevent wieder mit einem ausführlichen Sonderband: Hintergrundinformationen, umfangreiche Interviews, exklusive Fotorundgänge, kritische Essays und Analysen schaffen einen Rundumblick und bieten eine Orientierungshilfe.
Im ausführlichen Gespräch von Heinz-Nobert Jocks mit Cecilia Alemani gibt die künstlerische Leiterin der 59. Venedig Biennale einen tiefen Einblick in die Vorbereitung und Konzeption der Hauptausstellung: Wie erstellt man eine Großausstellung während einer weltweiten Pandemie? Gleichzeitig beschreibt sie, wie es zu einer „Wiederverzauberung“ kommt und spricht von einer „hybriden…