Also, die Zeitschrift werde ich bis zu meinem Tode weiter abonnieren, weil sie die interessanteste Zeitschrift in Deutschland überhaupt ist.
Erhard Klein im Gespräch mit Thomas W. Kuhn, mit Anmerkungen von Christian Lethert
Prolog
Auf Seiten der Leser*innen des KUNSTFORUMs International gehört Erhard Klein (* 1938 in Bonn) zu den frühen Weggefährten des Magazins. 1970 hatte er in Bonn seine Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet. Das Profil seiner Galerie, die 1994 in die Eifel umzog, war von den rheinischen Kunstzentren Köln und Düsseldorf geprägt, in denen das Umfeld von Joseph Beuys (1973) und Sigmar Polke (1973), samt ihrer selbst, eine zentrale Rolle spielte. Dazu gehörten u. a. Blinky Palermo (1972), Imi Knoebel (1973), Achim Duchow (1975). Hinzu kamen Künstler wie Arnulf Rainer (1972), Raimund Girke (1972), Erwin Heerich (1972), Reiner Ruthenbeck (1975) aber auch später der US-Amerikaner Richard Tuttle. Er wagte sich früh an die Ausstellung von Werken der Fotografie und anderen damals noch neuen Medien mit Vertreter*innen wie Katharina Sieverding (1975), Klaus Mettig (1975), Jochen Gerz (1974), Jürgen Klauke (1980), später Günther Förg (1985), zeigte aber auch den Klassiker August Sander (1974). Martin Kippenberger und Albert Oehlen bahnten sich 1983 ihren Weg zu Erhard Klein. Hinzu kam die Präsentation von Editionen der Galerie René Block (1972) und des Verlags Schellmann und Klüser (1975). In den Bänden des KUNSTFORUM International finden sich zahlreiche Erwähnungen, etwa im Beitrag „Tagebuch“ von Klaus Honnef im Band 14 von 1975. Später folgte ein Interview von Andreas Denk mit dem Galeristen, anlässlich seines Umzugs in die Eifel, im Band 126 von 1994. Annelie Pohlen rezensierte seine letzte reguläre Ausstellung von Jürgen Klauke in Bad Münstereifel im Band 181 von 2006. Im Jahr 2019 würdigte das Kunstmuseum Bonn sein Schaffen mit einer Ausstellung anlässlich seines 80. Geburtstags.
Dialog
Thomas W. Kuhn: Wie habe Sie das KUNSTFORUM entdeckt?
Erhard Klein: Als Buchhändler und Bibliothekar gehörte ich zur Laufkundschaft bei Walther König in Köln. Fast jede Woche war ich dort. Da bin ich immer mit Taschen voll von Büchern heimgekehrt. Die Erstausgabe vom März / April 1973 habe ich dort liegen gesehen und gleich gekauft. Beim Blättern hatte ich schon gesehen, dass dort Franz Erhard Walther vertreten war, der mich interessierte und mit dem ich 1974 eine erste Ausstellung machte. Am Ende habe ich zusätzlich auch noch die Ausstellungen gesehen, die in Galerien stattfanden, darunter auch meine Ausstellung mit Jonas Hafner.
Ihre Ausstellungen wurden also übernommen, für das Verzeichnis?
Ja. Beziehungsweise ich hatte die Angaben dorthin geschickt, auf Bitten des KUNSTFORUMs hin. Ab Heft 2, soweit ich mich erinnere, habe ich das Magazin abonniert. Das sind circa fünf bis sechs Meter im Bücherregal, inklusive der neuesten Nummer. Es sind inzwischen immer mehr als zwei Zentimeter, die Ausgaben werden immer dicker und brauchen ihren Platz. Die Exemplare habe ich nach Erhalt immer durchgesehen, geschaut, was mich interessiert und dann gelesen. Wenn dann ein Artikel über Beuys enthalten war, über Polke oder Palermo, Sieverding, Knoebel und so weiter, dann habe ich bei König noch ein zweites Exemplar gekauft, so dass ich ein Originalexemplar als Doublette zu den Büchern über die jeweiligen Künstler stellen konnte. In den letzten Jahren kaufte ich keine Doubletten mehr, da kopiere ich mir die Artikel, die mich interessieren, ich habe auch Google-Alerts, so dass ich immer Nachricht über neue Texte bekommen, die erscheinen. So habe ich inzwischen auch Kistenweise Artikel, die ich ausgedruckt habe.
Gehen Sie dann auch auf die Webseite des KUNSTFORUMs, um Texte auszudrucken?
Ja, auch schon mal. Allerdings muss ich sagen, dass in den letzten Jahren, die Künstler, die ich ausgestellt habe, nicht mehr so oft auftauchen. Wenn ich das aktuelle Heft jetzt durchsehe, gibt es sehr viele jüngere Künstler, zu denen ich keinen unmittelbaren Kontakt habe. Jetzt mit 84 kann ich auch nicht mehr alles lesen. Ich lese mit Lupe, wegen meiner schlechten Augen, dann auch meist nur die Bildunterschriften.
Was hat Sie fasziniert am KUNSTFORUM, was ist das Spannende, für Sie?
Gleich am Anfang kommen die Anzeigen mit interessanten Ausstellungen von Galerien und Institutionen, die ich alle durchsehe, auch wenn ich auch vieles postalisch oder per E-Mail erhalte. Dann kommen die Nachrichten, über Künstler, Hochschulen, Galerien, da schau ich, wen kenne ich, wer interessiert mich, dann kommt der Hauptartikel „Was ist Schönheit“ hier in dem neuen Heft, da blättere ich Seite für Seite alle Fotos durch, da bleibe ich bei dem einen oder anderen hängen, weil es mich interessiert, aber ich lese nicht mehr die ganzen Artikel, nicht nur wegen meiner Augen, sondern auch deshalb, weil ich jetzt nicht mehr alles wissen muss, was in der Kunstwelt passiert. Früher habe ich deutlich mehr in den Texten gelesen. Dann kommen die Einzelausstellungen und denke darüber nach, wo muss ich hin, was will ich mir anschauen, beziehungsweise ist da was von Beuys, Polke, Palermo, wenn die mal eine Retrospektive haben. Also, die Zeitschrift werde ich bis zu meinem Tode weiter abonnieren, weil sie die interessanteste Zeitschrift in Deutschland überhaupt ist.
Was unterscheidet das KUNSTFORUM von anderen Magazinen?
Ich lese auch das Magazin Salon sehr gerne. Aber mit dem KUNSTFORUM haben ich einen sehr guten Überblick über die Kunstszene in Deutschland, in der Schweiz und Österreich. Auch wenn ich nicht mehr so viel lese, wie zu meinen Zeiten als Galerist, freue ich mich noch immer, wenn die Hefte kommen und ich blättere sie von vorne bis hinten durch.
Manche Autoren des KUNSTFORUMs haben auch bei Ihnen zu Eröffnungen gesprochen?
Ja, zum Beispiel Klaus Honnef zu Katharina Sieverding. Der war fast auf jeder meiner Eröffnungen, auch zu Polke hat er mal eine Rede gehalten. Ich selbst war nicht so firm darin, vor Publikum über Kunst zu sprechen. Ich habe zwar einige Texte geschrieben, aber das Sprechen haben oft andere übernommen.
Das Gespräch mit Herrn Klein fand am 3.1.2023 in Neuwied statt.
Epilog
Als Erhard Klein seine Galerietätigkeit 2006 reduzierte, eröffnete sein früherer Assistent Christian Lethert eine Galerie in Köln. Nach gemeinsamer Absprache wechselten einige der vormals von Klein vertretenen Künstler*innen mit ihm dorthin, nicht zuletzt Imi Knoebel. „Ausschlaggebend dafür war die Übernahme eines wesentlichen Prinzips von Erhard Klein: Fairness im Umgang mit den Künstler*innen, nicht zuletzt in finanziellen Fragen“, erklärte Christian Lethert in einem gemeinsamen Telefonat am 16.1.2023.
„Als ich 1997 im Alter von 15 Jahren bei Erhard Klein anfing zu arbeiten, war das eigentlich nur ein Nebenjob, um etwas Geld zu verdienen. Das richtige Interesse an der Kunst kam später, geschickt geweckt durch Herrn Klein. Anstatt Bilder von Motorrädern hatte ich signierte Künstlerplakate an den Wänden meines Jugendzimmers. Das bereitete meinen Eltern ein wenig Sorgen und sie rieten mir, erst etwas ‚Ordentliches‘ zu lernen.“
Inzwischen betreibt er seit 2022 an seinem Heimatort Mutscheid den „Eifelraum“ als zusätzlichen Showroom seiner Galerie. „Mit Herrn Klein hatte ich noch die Übernahme seiner Räume erwogen, aber es gab Renovierungsbedarf. So habe ich mir schließlich neue Räume gesucht. Noch bin ich zu jung, um die Stadt, um Köln, ganz in Richtung Eifel zu verlassen, aber die Bedeutung klassischer Galerieräume für den Kunsthandel hat sich sehr gewandelt und vielleicht kommt dann eines Tages der Wechsel.“ Auch das Interesse am KUNSTFORUM International verbindet ihn mit Erhard Klein. „Ich selbst finde nicht immer die Zeit, um das Magazin umfassend zu lesen, aber für die wissenschaftliche Arbeit in der Galerie wissen meine Mitarbeiter*innen das KUNSTFORUM sehr zu schätzen. Ich glaube, ich habe sogar zwei Abos: eins für die Galerie und eins habe ich verschenkt.“