Laudatio
Man nennt das Jubiläum
Michael Hübl
Ein Bummel durch 50 Jahre KUNSTFORUM International mit passageren Akzenten und leichter Lobgesang-Note
Lorbeer
Siglifjörður oben im Norden Islands war einmal eine Boomtown. Unmengen an Hering wurden dort ab den 1930er-Jahren ausgenommen, geschuppt, gesalzen und in Fässer geschichtet, bis drei Jahrzehnte später die silbrig glitzernden Fischschwärme sukzessive ausblieben und es mit der wirtschaftlichen Blüte des Ortes vorbei war. Óskar Árni Óskarsson hat dieser Epoche mittels literarischer Miniaturen ein Denkmal gesetzt. Eine handelt davon, wie der Vater des Autors als kleiner Junge gerne mal in großen Haufen von Lorbeerzweigen ein Schlümmerchen hielt und sich noch im Alter erinnerte: „Schon bald war der Trangestank aus Mund und Nase verflogen und wenn ich aufwachte, hopste ich wie ein duftendes Kräutersäckchen auf der Hafenmauer herum.“1
Obwohl man weiß, wie hart und zehrend das Leben war, vermittelt die Episode den Eindruck eines nachgerade paradiesischen Idylls. Zugleich verweist sie auf die materiellen und gesellschaftlichen Veränderungen, die der Gang der Geschichte mit sich bringt. Vergangen Glanz und Gloria: Der Lorbeer im Packhaus von Siglifjörður diente als Zutat für eine besonders vom schwedischen Markt goutierte Marinade – ehemals freilich galten die robusten Blätter des Laurus nobilis (so der botanische Name) als Ruhmeszeichen und Ehrenerweis. Noch Napoléon ließ sich von Künstlern wie François Pascal Simon Gérard oder Anne-Louis Girodet mit goldenem Lorbeerkranz porträtieren.
Das war als ostentative Gleichstellung mit den römischen Imperatoren gedacht, denen Lorbeer nicht nur als Gewürz, sondern als Siegeskranz geläufig war. In jenen Zeiten, in denen das Christentum erst verfolgt und dann zur Staatsreligion…