Diagnosen versus kritische Intervention
Kunstzeitschriften zwischen Kunstbetrieb und Kunst
von Herbert Kopp-Oberstebrink
Nahaufnahme 1973: Erzählungen aus dem Innenleben des Kunstbetriebs
Fangen wir mit dem Anfang an – doch wo beginnt, wo endet die Zeitschrift? März 1973. KUNSTFORUM International, Kommunikations-Objekte. Cover, danach Inhaltverzeichnis und Impressum. Es folgen 67 unpaginierte Seiten in zeittypisch nüchternem Schwarz-Weiß. Advertising von Galerien und anderen Akteurinnen und Akteuren des Kunstmarkts, etwa des Westfälischen Kunstvereins in Münster, der Galerie Ernst in Hannover, der 5. Internationalen Kunstmesse Berlin 1973 und dergleichen mehr.
Cut. Es beginnt der offizielle, besser gesagt: der redaktionelle Teil der „aktuellen Zeitschrift für alle Bereiche der bildenden Kunst“. Nun erst setzt die Paginierung ein, nicht mit Seite 1, sondern gleich mit der 69 – die vorausgehenden Seiten zählten also doch. Seinen Auftritt hat der Autor, Hauptprotagonist: der Kunstmarktbeobachter Dr. Willi Bongards berichtet über große Sammler. Folge 1 einer Reihe bietet ein Portrait des „Grafen Giuseppe Panza di Biumo, des größten und großartigsten Sammlers zeitgenössischer Kunst, den ich kennengelernt habe.“ Eine Reise, die 1963 in New York beginnt, wo eine „auskunftsfreudige Sekretärin“ bei Leo Castelli einen „hübschen kleinen Vortrag“ über Pop-Art hält, von der der Kunstmarktbeobachter bis dahin nichts gehört hatte. Nach einem Sprung von zehn Jahren findet die Erzählung ihre Erfüllung auf dem Landgut des Grafen, dessen Hallen voller Rothkos, Oldenburgs, Rauschenbergs und dergleichen sind, so dass dem Bewunderer des Grafen sich nur eine Frage aufdrängt: Weshalb hat der Mann keinen einzigen Warhol?