Hans-Jürgen Hafner
Chris Reinecke
»Die scheinbare Ruhe wird in Bewegung umschlagen«
Arbeiten 1965 – 1971 / 1997 – 2000
Kunstraum München e.V., 1.6. – 22.7.2001
1971: Sechs Wochen vor Eröffnung wird die Einzelausstellung von Hans Haacke im New Yorker Guggenheim Museum durch die Museumsleitung abgesagt. Stein des Anstoßes ist Haackes auf Recherche- und Dokumentationsbasis entwickelte Arbeit „Shapolsky et al. Manhattan Real Estate Holdings, a Real-Time Social System, as of 1st May, 1971″, eine in Fotos und Texten fixierte Untersuchung zu den Praktiken einer Gruppe von Miethaien und Immobilienspekulanten.
Szenenwechsel: Zwischen 1968 und 71 verknüpft die Künstlerin Chris Reinecke (Jg. 1936, wie Haacke) im Rahmen diverser Gruppenaktivitäten – „Lidl“, dann „Büro Olympia“ und „Selbsthilfe Wohnen“ bzw. „Mietersolidarität Düsseldorf – aufs Engste künstlerische wie politische Praxis; ja direktes politisch/soziales Engagement überlagert zunehmend die künstlerischen Arbeitsfelder. 1971, auch nach der Trennung von Ehemann und Mitstreiter Immendorff, verabschiedet sich Reinecke – vorerst – endgültig aus dem System ‚Kunst‘. Sie beendet künstlerische Produktion wie Ausstellungstätigkeit. Und obwohl Szenefigur im Kontext der Düsseldorfer Akademie und selbst markante Kunst- wie Politaktivistin gerät sie, zuerst sicher auch billigend, rasch in Vergessenheit.
Doch: „Die scheinbare Ruhe wird in Bewegung umschlagen“. Anfang der 90er Jahre setzt verstärkt eine ‚Rehabilitierung‘ vor allem unter Aspekten der Historiografie, später verknüpft mit der Gender-Debatte ein, angeregt durch die Arbeiten von Susanne Renner und Stephan von Wiese. Gerade die Ära „Lidl“ gerät ins Blickfeld, gipfelt zuletzt in der Ausstellung „Chris Reinecke. 60er Jahre – Lidl-Zeit“ im Kunstmuseum Düsseldorf, 1999. Natürlich trifft diese Wiederentdeckung nicht von ungefähr in einen zeitlichen…