HARALD SZEEMANN
Der große Atem der Zeitlosigkeit
EIN GESPRÄCH VON HEINZ-NORBERT JOCKS
Harald Szeemann, als Ausstellungsmacher selbst so etwas wie ein Gesamtkünstler, vertritt zum Phänomen der Zeit eine recht spezielle Haltung. Zum einen betont er, dass keine Kunst außerhalb der Zeit existiert. Insofern sei es nichts Besonderes, sagt er, wenn jetzt Ausstellungen zur Zeit in der Kunst wie Pilze aus dem Erdboden der Museen sprießen. Er selbst kuratierte Weltuntergang im Kunsthaus Zürich, verknüpft mit dem Prinzip Hoffnung, frei nach Ernst Bloch. Darüber hinaus formuliert er den Widerspruch des Ausstellungsmachers. Einerseits versuche er eine Zeitlosigkeit zu inaugurieren. Dafür stünde ihm jedoch andererseits nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, weil irgendwann der Augenblick gekommen sei, wo die Ausstellung wieder in seine Einzelteile zerlegt und diese auf die Besitzer verteilt werden. Die Zeit, wo der folgenreiche Besitz an Kunstwerken beginnt, stellt für ihn ein spezielles Problem dar, über das er sich ohne Umschweife äußert. Überhaupt gibt es Zeitstrukturierungen, die ihm zuwider sind, und dafür andere poetische Formen, mit Zeit umzugehen, die ihm besonders am Herzen liegen. Darunter die Kleiderwelt von Christian Boltanski. Mehr über Zeit und darüber, was ein Ausstellungsmacher damit macht und wie er sie in der Kunst für sich entdeckt, erfuhr Heinz-Norbert Jocks in einem Gespräch mit Harald Szeemann, geführt in Zürich.
Zeitlos in der Zeit
Heinz-Norbert Jocks: Wie steht der Ausstellungsmacher in der Zeit?
Harald Szeemann: Es gibt sicher eine gedrängte Zeit, die man fast wie die Zeit beim Militär erlebt, und dann die letzten Tage vor der Eröffnung, die man nur noch abhakt. Gleichzeitig…