TONY CRAGG
Der Fußabdruck der Zeit
EIN GESPRÄCH VON HEINZ-NORBERT JOCKS
Tony Cragg, 1949 in Liverpool geboren, ist sicherlich einer der vitalsten Bildhauer unserer Zeit. Einer der mit immer neuen Bildideen und Formvorstellungen vorprescht, für Verwunderung, Verblüffung und Irritation sorgt, weil alles bei ihm wieder ganz anders ausschaut als zuvor. Dass er in anderen Kategorien wie schön und hässlich, Ordnung und Chaos denkt, ist seinen Skulpturen nicht nur anzusehen. Vielmehr zeigen sie auch, dass sie jenseits solcher Kategorien angesiedelt sind. Mehr noch, sie führen vor Augen, wie er den Koloss Marcel Duchamp, dessen Erneuerung er anerkennt, überwindet, indem er fragt, was danach und ohne ihn möglich ist. Klar, dass Cragg Zeit nie direkt thematisiert, und schön, dass sie unterschwellig durchscheint. Man sieht den Etappen seines Schaffens an, wie die Unhintergehbarkeit der Zeit und ihre Erfahrung sich künstlerisch und körperlich auswirkt. Zeugten die Anfänge noch von einer sprudelnden, ja überbordenden Spontaneität eines rotzfrechen Trotzdems, setzt sich mit zunehmender Reife der Wunsch nach Gestaltung durch, die mehr Zeit erfordert. Jede Etappe bekundet ein anderes, von der Lebenszeit geprägtes Temperament. Mehr über diesen Zeitaspekt und darüber, wie Zeit seinsmäßig empfunden wird, erfuhr Heinz-Norbert Jocks in einem aufschlussreichen Gespräch mit dem Bildhauer, der mit seinen Skulpturen die Welt und die Zeit erobert und die Zeit des Materials berücksichtigt.
Vorbei die Kindheit
Heinz-Norbert Jocks: Wie erleben Sie das Altern mit Ihren fünfzig Jahren?
Tony Cragg: Seit einiger Zeit stelle ich an mir körperliche Veränderungen fest. Derart, dass ich nach einem Urlaub in den Bergen, wo wir wunderbare Weitsicht hatten, so…