Cornelia Gockel
Evelyn Hofer (1922-2009)
»Retrospektive«
Museum Villa Stuck, München, 18.6. – 20.9.2015
In eine trostlose Gegend hat sich die Fotografin mit ihrer Kamera verirrt. Heruntergekommene Backsteinbauten säumen die menschenleeren Straßen. Schwere Regenwolken spiegeln sich im nassen Asphalt. Nur ein Hund streunt einsam durch das Viertel. Es wäre ein durch und durch düsteres Bild, dass Evelyn Hofer mit ihrer Kamera 1966 in Dublin eingefangen hat, gäbe es nicht das kleine, rothaarige Mädchen im Vordergrund. Ihre Kleidung wirkt abgetragen und ärmlich, aber ihre roten Kniestrümpfe leuchten hell. Viel zu groß erscheint das Erwachsenenfahrrad, mit dem sie vor der Kamera posiert. Aber die Kleine lässt sich nicht davon beeindrucken. Vielmehr sieht es so aus, als wolle sie im nächsten Moment auf das Rad steigen und damit davon fahren, weg aus dem Viertel, in eine andere, bessere Zukunft.
Die Fotografie ist eine von 94 Abbildungen, die Evelyn Hofer für das Buch „Dublin – A Portrait“ gemacht hat. Es gehört zu einer Reihe von Städteporträts aus den 1960er-Jahren. Dublin befand sich zu dieser Zeit in einer Phase des gesellschaftlichen Wandels. Hofer ist es gelungen ein vielschichtiges, atmosphärisches Bild vom Leben in der irischen Hauptstadt wiederzugeben. Sie nähert sich den Menschen nicht mit voyeuristischem Blick, sondern mit offenem Interesse. Das scheinen auch die Menschen zu spüren, die Hofer porträtiert, denn sie geben viel von ihrer Persönlichkeit preis.
Die Ausstellung in der Villa Stuck würdigt die 2009 verstorbene Fotografin mit einer großen Retrospektive. Zu sehen ist nicht nur eine Auswahl ihrer Fotografien, sondern auch Bücher, Schriftstücke und Notizbücher aus ihrem…