Wien
Hungry for Time
Eine Einladung zu epistemischem Ungehorsam mit Raqs Media Collective
Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien 09.10.2021–30.01.2022
von Gudrun Ratzinger
Der Prolog zur Ausstellung „Hungry for Time“ ist nicht leicht zu entschlüsseln. Zu sehen sind unter anderem eine wandfüllende Fotografie einer Fliege auf einer roten Oberfläche, Videosequenzen der leeren Galerieräume, zwei Gemälde aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts mit Katzen und einem Vorleser, das Video „Unidentified“ (2019) von Jaret Vadera, das mutmaßliche Aliensichtungen zeigt oder Entwürfe für zwei Grußkarten (1914). Diese rätselhafte Zusammenstellung erschließt sich erst nach und nach, im Durchgang der Ausstellung, und nur dann, wenn sich die Betrachter*in Zeit nimmt und einzelnen Motive folgt.
„Hungry for Time“ wurde vom Raqs Media Collective als „Einladung zu epistemischem Ungehorsam“ angelegt. Sie ist, soviel sei vorangestellt, ein großes Geschenk für all diejenigen, die der Einladung Folge leisten. Als Eröffnungsschau der Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien nach mehrjähriger Generalsanierung konzipiert, sind hier über 100 historische Werke aus dem eigenen Bestand sowie rund 50 Werke internationaler, zeitgenössischer Künstler*innen zu sehen. Die Künstler*innenkurator*innen aus Neu-Delhi, Jeebesh Bagchi, Monica Narula und Shuddhabrata Sengupta, ermöglichen mit ihrer kuratorischen Setzung neue, dringend notwendige Perspektiven auf eine Sammlung, die in ihrem Kern seit 1822 der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Das Raqs Media Collective versteht Sammlungen wie die der Akademie als Orte, an denen „historische Sedimente und die damit hartnäckig einhergehenden Narrative verkrusten und erstarren“. Diese Ablagerungen, die gegenwärtiges Erkennen und Verstehen präfigurieren, unter Einbeziehung des aktuellen Dekolonialismus-Diskurses aufzuspüren und zu dezentrieren, hat sich die Akademie zur Aufgabe…