Jon Rafman
Der düstere Sog des virtuellen Träumens
Der kanadische Künstler Jon Rafman erkundet das kollektive, kulturelle Unbewußte und macht in seiner Arbeit die Fülle digitaler Subkulturen und die Phantasmen, die diese antreiben, sichtbar. Rafmans digitale Animationen, die er in raumgreifenden Environments inszeniert, operieren mit Momenten der Isolation, aber ebenso den regressiven Tendenzen und transgressiven Wünschen, die sich online ausleben lassen. Wie ein Anthropologe sucht er nach den Wirkmechanismen digitaler Bilder und Erzählungen und forscht nach den überindividuellen Motivationen und psychologischen Abgründen, die sich in diesen Bildern verbergen.
Magdalena Kröner: Ich verfolge Deine Arbeit, seit Du sie im Jahr 2016 im Westfälischen Kunstverein in Deutschland vorgestellt hast. Was mein Interesse im Zuge der Recherchen für diesen Band mit einem Mal aktualisiert hat, war ein Zitat aus Yukio Mishimas Buch „Sun and Steel“, das Du auf Instagram einer Reihe von Arbeiten des Accounts „Alessandro2012“, der Teil der Online-Community „Deviant Art“ ist, an die Seite gestellt hast. Mishima schreibt in seinem berühmten Text über den Zusammenhang von Wort und Fleisch, Körper und Geist, von körperlicher Disziplin und mentaler Stärke als Möglichkeiten zur Selbstund Welterkenntnis.1 Mishimas Text aus den 60er Jahren scheint heute ungebrochen aktuell zu sein. Das Netz ist voller Bilder, die Themen illustrieren, von denen Mishima schreibt. Dieser Zusammenhang kennzeichnet auch die hypertrophen digitalen Charaktere, von denen Dein Werk „Dream Journal“ bevölkert wird. Darüber würde ich gern mehr wissen … Was verbindet Mishimas Text mit Deiner Arbeit?
Jon Rafman: Mich inspiriert Mishimas poetische Gegenüberstellung von Gegensätzen; wie etwa die Verflechtung von Profanem…