Amine Haase
Melancholie – Genie und Wahnsinn
Grand Palais, Paris, 10.10. 2005 – 16 1.2006
Neue Nationalgalerie, Berlin 17.2. – 7.5.2006
Melancholie – wollen Sie sich wirklich mit diesem Thema beschäftigen? Nicht im zeitgemäßen diagnostischen Blick einer Depression, sondern in der Jahrhunderte übergreifenden Perspektive eines kulturhistorischen Phänomens? Zehn Jahre lang hat Jean Clair, bis vor kurzem Direktor des Pariser Picasso-Museums, für eine Ausstellung geforscht und gekämpft, in der die Melancholie unter dem Motto “genie et folie” (Genie und Wahnsinn) sichtbar werden soll. Jetzt zeigt er mit fast dreihundert Bildern, Zeichnungen, Graphiken, Skulpturen und Objekten aus zwei Jahrtausenden, dass die Kunst tatsächlich etwas erkennbar machen kann, was Medizin, Religion und Philosophie stets ein Rätsel war und was letztendlich unfassbar erscheint. Es braucht ein wenig Geduld, um der bis in die Antike zurückführenden Spurensuche Jean Clairs zu folgen. Ob dabei das Bewusstsein der Virulenz einer melancholischen Grundstimmung in Zeiten von Beschäftigungslosigkeit hilfreich sein kann, mag individuell unterschiedlich sein – genauso wie eine mögliche Verstärkung der zumeist düsteren Erkenntnisse durch Poesie und Musik. Ein aktueller soziologischer Aspekt – die Depression als Krankheit einer Gesellschaft mit Massenarbeitslosigkeit, also einer “demokratisierten” Melancholie – muss, beziehungsweise kann vom Ausstellungsbesucher selber erarbeitet werden. Ebenso gut lässt ihm die Ausstellung die Freiheit, sich einer rein ästhetischen Rezeption zu überlassen – und das äußerst informative Katalogbuch zu den Klängen von Schuberts “Divertissement a la hongroise” zu lesen, ein Klavierstück für vier Hände, das die Moll-Stimmung von Volksmusik mit dem Wohlklang des Kunstlieds verbindet. (Jean Clair hat sogar seinerseits eigens eine…