Oliver Zybok
In der Idylle ist man allein
Ein Gespräch mit dem in London lebenden Künstler Lothar Götz
Oliver Zybok: Es wird vielfach konstatiert, die Idylle gründe auf den Gegensatz von Natur und Kultur. Dabei scheint Kultur zunächst nichts anderes als ein Synonym für den Verlust von Ursprünglichkeit, von früheren, im Einklang mit der Natur verlaufenden Lebensformen. Die Natur hingegen ist in diesem Verständnis das stets Gleichbleibende, das dauerhaft Ursprüngliche. Von daher ist der behauptete Stillstand der Idylle das Merkmal einer geschichtlichen Dialektik. Geschichte ist eine Abkehr vom idyllischen Dasein, aber diese Abkehr ist die Voraussetzung dafür, dass Idylle überhaupt entstehen kann. Was bedeutet Idylle für Dich?
Lothar Götz: Idylle stellt ein Konstrukt dar, einen irrealen Raum, der immer auch eine Bedrohung der vermeintlich ,heilen Welt´ impliziert. Mit dem Aspekt der Schönheit wird die Angst der Zerstörung verknüpft. Ohne diese Angst kann Idylle meiner Meinung nach gar nicht existieren, da nur sie die Sehnsucht nach Vollkommenheit anregt. Idylle ist eine Traumwelt, in der man versucht, mit sich Selbst in den so viel zitierten Einklang zu kommen. Idylle stellt also einen Stillstand von Sehnsucht dar. In der Idylle ist man allein. Wandert der Großstädter im Gebirge, empfindet er es nur aus dem Grund idyllisch, weil es dem landschaftlichen Ideal entspricht, das vorher in der Fantasie konstruiert worden ist. Ein Einheimischer betrachtet das Gebirge aus einem anderen Blickwinkel. Er kennt auch seine Naturgewalten und die daraus resultierenden Bedrohungen. Idylle setzt sich für ihn aus anderen Grundvoraussetzungen zusammen. Überträgt man den idyllischen Gedanken auf den privaten…