Modell documenta
oder wie wird Kunstgeschichte gemacht?
Von Walter Grasskamp
Im Kölnischen Kunstverein zeigte Wulf Herzogenrath 1978 die Rekonstruktion einer Ausstellung, die Toni Feldenkirchen 30 Jahre früher in den Kölner Messehallen veranstaltet hatte. Damals, 1949, lag die Aufgabe der Ausstellung darin, nach dem Bildersturm der Faschisten neu zu bestimmen, was als zeitgenössische Kunst der jungen Bundesrepublik gelten konnte. Die Absicht, eine solche Übersichtsausstellung von 1949 an alle vier Jahre zu wiederholen, ist aber über den Plan nie herausgelangt; wäre 1953 eine zweite Übersichtsausstellung zur deutschen, möglicherweise internationalen Kunst in Köln veranstaltet worden, die Kasseler documenta hätte es vermutlich nie gegeben. Der Hinweis auf diese verschenkte Chance mag ein Beweggrund für die Wiederholung der Ausstellung nach 30 Jahren gewesen sein, aber sicher nicht der wichtigste. Auch ging es nicht darum, die Entscheidungen von damals zu überprüfen. Müßig wäre es gewesen, dem Lieblingsspiel der Kritiker nachzugehen und zu bestimmen, welche Künstler damals über- oder unterrepräsentiert gewesen sein sollen. Krankt dieses Spiel ohnehin daran, daß der jeweils Redende (oder Schreibende) gewinnt, so wäre es in diesem Fall auf Grund des historischen Platzvorteils noch langweiliger gewesen.
Es war vielmehr eine Veränderung der Perspektive, welche die Wiederholung der Ausstellung bewirken sollte, eine Alternative zur normalen kunsthistorischen Betrachtungsweise, die sich in der Regel nach 30 Jahren nur noch mit den Spitzenwerken abgibt und den künstlerischen Kontext, aus dem sie diese Werke isoliert, darüber vergißt. Wieviele vergessene Bilder und Skulpturen kommen auf ein Gemälde, daß in den Farbabbildungen der kunsthistorischen Standardwerke Karriere macht? Ab wann verselbständigen sich solche Entscheidungen, mit denen…