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Ausstellungen: Frankfurt a.M. · von Rainer Metzger · S. 284 - 285
Ausstellungen: Frankfurt a.M. , 2004

RAINER METZGER
nackt!

“Frauenansichten. Malerabsichten. Aufbruch zur Moderne”
Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/Main, 25.9.2003 – 11.1.2004

Im Jahr 1798 gab Johann Wolfgang Goethe bei seinem Haus- und Hofmaler Friedrich Bury eine spezielle Version von Kopie in Auftrag. Tizians “Himmlische und irdische Liebe” sollte per Nachbildung in das geheimrätliche Haus einziehen, doch fand dabei das traute Stelldichein einer unbekleideten und einer mit Stoff behängten Schönen, wie es der vorbildhafte Venezianer arrangiert hatte, sein brüskes Ende. Bury verengte nämlich das Quer- zum Hochformat und räumte eines der beiden Frauenzimmer einfach weg. So blieb allein die Nackte übrig und konnte nun ganz auf Unschuld machen. Die Gesellschaft der Angezogenen hätte sie dagegen als ausgezogen bloßgestellt. Für solcherlei schlechte Manieren war die Liegenschaft am – ausgerechnet – Frauenplan zu offiziell.

Heutzutage hat man damit kein Problem mehr, und so sind an repräsentativem Ort, dem altmodisch so genannten Städelschen Kunstinstitut, achtzig Arbeiten zur Präsentation gekommen, die allesamt das bloße Fleisch zeigen. Sie zeigen es nicht nur bloß, sondern auch in purer Ausgezogenheit. Es ist samt und sonders weibliches Fleisch und stammt, von vier Ausreißern abgesehen, aus den Jahren zwischen 1880 und 1938. Zu neunzig Prozent, mit Ausnahmen von Berthe Morisot, Paula Modersohn-Becker oder Suzanne Valadon, wurde es von Männern zusammengestellt, man könnte auch sagen: tranchiert, denn das Gezeigte fällt in die Hochzeit jenes modernistischen Zynismus, der immer noch als Erfolgsgeschichte gehandelt wird. Doch dazu später. Als erstes gilt es zu sagen, dass die Veranstaltung als Ausstellung wunderbar funktioniert.

Es ist eine pornografische Gesellschaft, die hier ihr Wesen treibt, und dagegen ist…



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