Probebühnen einer anderen Welt
Die Pandemie hat den Siegeszug der Biennalen vorerst gestoppt. Als Foren der Transnationalisierung sind sie aber weiterhin unverzichtbar
von Ingo Arend
Afterglow – der Titel hatte etwas programmatisches. Das Wort hatte die Yokohama-Triennale als Motto ihrer diesjährigen Ausgabe gewählt. Die Calcium-carbonat-Skelette von Korallen, so schrieb das Raqs Media Collective, in diesem Jahr die Kurator*innen der Schau, wirken als Sonnenschutzmittel, sie absorbieren UV-Licht und begrenzen den Schaden, den sie dem Lebensraum Riff zufügen. Dadurch beginnen sie zu glühen. Das Wort „Afterglow“ bezeichnet aber auch die Lichtreste, die als weißes Rauschen auf analogen Fernsehern Fragmente der kosmischen Mikrowellen-Strahlung enthalten, die vom Urknall „Big Bang“ übriggeblieben waren. Im Lichte der Pandemie verwandelte sich dieses akademische Interesse an den „Cosmologies of luminosity“ plötzlich zum globalen Menetekel. „Wir befinden uns jetzt im Nachglühen einer ungewohnten, viralen und teilweise unlesbaren Zeit und sind ohne vertraute Protokolle. Alleine und gemeinsam müssen wir die Schwingung der Skalen steuern, die durch die Änderung bekannter Regeln beschleunigt wird. Wir sind jetzt in eine turbulente Strömung eingetaucht, deren Druck uns alle durchdringt“ schrieben die Kurator*innen in einem Anflug von Katastrophenlyrik, inhaltlich aber zutreffend.
The Show Must Go On
Nach der Weltfinanzkrise 2008 / 2009 ging der Reigen der Biennalen ungehindert weiter. Erst der Ausbruch der globalen Pandemie schien den Siegeszug eines vergleichsweise jungen, wenig mehr als hundert Jahre alten Formats der Kunstpräsentation gleichsam über Nacht zu stoppen. Von der Prospect New Orleans über die Liverpool Biennale bis zu der in Dakar sagten über 20 der geschätzten 43 Biennalen, die im Jahr…