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Essay · von Amine Haase · S. 260 - 265
Essay ,

Marina Abramović als Maria Callas

Von der kompromisslosen Performerin zur Staatsschauspielerin – Das pathetische Potential offenbart seine Kitsch-Komponente
Ein Kommentar zu Marina Abramovićs „7 deaths of Maria Callas“ in der Bayerischen Staatsoper

von Amine Haase

„Schmerz ist die Schwelle der Weisheit“, deklarierte Marina Abramović in einem Interview vor etwa einem Jahr (KUNSTFORUM Band 256). Und an diese Schwelle hat die Künstlerin sich oft begeben, oft mit uneingeschränktem physischem Einsatz und oft auch für das Publikum an der Grenze des Erträglichen. Radikalität war das herausragende Merkmal ihrer Performances. Ihr Körper war ihr Ausdrucksmittel wie Farbe oder Gips es für andere ist. Schmerzhaft war ihr Beitrag zum Siegeszug der performativen Kunst bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als sie mit ihrem Partner Ulay auftrat und die beiden sich minutenlang ohrfeigten oder ihre nackten Körper im Laufschritt aufeinanderprallen ließen.

Allein, nach Abramovićs Trennung von Ulay, schonte sich die Performerin keineswegs. Allerdings schien der körperliche Schmerz sich in Herzensleid zu wandeln. Als „Mater Dolorosa“ trat sie 1997 auf der Biennale Venedig auf: „Balkan Baroque“ war der Titel ihres spektakulären Beitrags im (damals noch) jugoslawischen Pavillon: Vier Tage, sechs Stunden, 47 Minuten lang thronte sie im weißen Hemd auf einem meterhohen Haufen blutiger Knochen, schabte sie mit einer Bürste ab und sang dazu Totenlieder. Und sie verwies das Publikum so auf seine Rolle in dem in ihrem Heimatland Jugoslawien tobenden Krieg, die des Zuschauers. Radikal wie ihr Körpereinsatz war der hohe Ton des Pathos. Aber die Überwältigungs-Taktik funktionierte: Goldener Biennale-Löwe für die Performerin. Sie stand im Mittelpunkt…

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