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Titel: Quo Vadis Biennale? · von Sabine B. Vogel · S. 48 - 49
Titel: Quo Vadis Biennale? ,

Quo Vadis Biennale?

Die Zukunft der Mega-Ausstellungen
Herausgegeben von Sabine B. Vogel

Kein Ausstellungsformat wird so geliebt und gleichzeitig kontrovers diskutiert wie Biennalen. Seit der Jahrtausendwende verbreitet sich dieses Modell einer periodisch wiederkehrenden Großausstellung über alle Kontinente. Über 300 könnten es schon sein, eine genaue Zahl lässt sich nicht ermitteln, da immer Neue gegründet, Ältere ruhend gestellt werden. Es sei ein einzigartiges Experimentierfeld, sagen die einen. Die anderen kritisieren eine zunehmende Hegemonisierung. Aber trotz der Kontroverse und der aktuellen Notbremse durch Corona bleibt der Wille zur Biennale ungebrochen. Denn Biennalen sind zu einem einmaligen Modell für transnationale Begegnungen von Künstler*innen geworden, zu einem Testfeld für neue kuratorische Konzepte und für expansive Definitionen von Kunst. So sehr der Oberbegriff eine Einheitlichkeit suggeriert, so unterschiedlich ist dabei jede einzelne Biennale.

Dieser Themenband bietet einen Überblick über einige zentrale Modelle anhand von rund 20 ausgesuchten Biennalen. Einen Querschnitt ermöglicht der Rundgang über die Ausstellung „The Disqueted Muse“ im Zentralen Pavillon der Giardini: Erstmals in der Geschichte kommen die sechs Biennale Venedig-Sparten Architektur, Film, Kunst, Musik, Tanz und Theater in einem historischen Blick auf die Schlüsselmomente zusammen. Mit kritischen Dokumentationen der diesjährigen Manifesta 13 in Marseille, RIBOCA 2 in Riga und 11. Berlin Biennale zeigen wir exemplarisch, welche Herausforderungen und Visionen heute dominieren. Heinz-Norbert Jocks befragt die Kurator*innen über ihre Konzepte. Ingo Arend untersucht den Schlachtruf „Schluss mit den Biennalen“ und ist trotz aller Kritik von ihrer Funktion als „Probebühnen einer anderen Welt“ überzeugt. Mit skeptischem Blick fragt Susanne Boecker, ob Biennalen nach so vielen Biennale-Konferenzen und trotz ihrer zunehmenden Institutionalisierung kurz vor dem Kollaps stehen? Sabine B. Vogel beschreibt Biennalen in ihrer kurzen Geschichte des Modells als „agents of change“, als zentrales Format für Offenheit, Vielfalt und Expansionsfreudigkeit. Aber kann das immer so weitergehen? Und wie sehen Kurator*innen und Künstler*innen die Zukunft von Biennalen? Wir haben dazu Künstler*innen, Kollektive und Kurator*innen, die Biennalen verantworteten, zum Gespräch gebeten: Werden durch die Covid-19- Auswirkungen gravierende Veränderungen notwendig werden? Wie sieht die Zukunft von Biennalen aus? Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Standpunkte sind sie sich doch in einigen Punkten erstaunlich einig: Die Zeit der Starkünstler*innen und der dominanten Westkunst ist vorbei. Biennalen öffnen jetzt das Tor für First Nation-Künstler*innen, schamanische Praktiken und folkloristische Objekte. Was vor einhundert Jahren in der Moderne als Inspiration gesucht wurde, steht jetzt im Scheinwerferlicht. Von Heilungsritualen und sogar Untoten ist die Rede, aber auch von der Notwendigkeit, das Karussell zu entschleunigen. Mit Quo Vadis Biennale wird das Jetzt präsentiert und ein Blick in die Zukunft dieser Großveranstaltungen gewagt.