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Magazin: Publikationen · von Jochen Becker · S. 493 - 492
Magazin: Publikationen , 1997

Schizo Berlin

Uwe Rada »Hauptstadt der Verdrängung«

“Berlin ist auf dem Weg zu einer gespaltenen Stadt.” Entzweit ist die “Armutsmetropole” zwischen Wohlstand und Mangel, zwischen Ost und West, zwischen Menschen mit und ohne deutschen Paß. Die titelgebende ,Hauptstadt der Verdrängung’ meint hier zweierlei, nämlich den ordnungspolitisch angeordneten, sozialräumlichen Ausschluß von Bevölkerungsgruppen sowie das Ausblenden weiter Teile der Realität aus Bewußtsein, Statistik und Fürsorgepflicht. Dem Verschwinden von der Bildfläche eine Erinnerung entgegenzusetzen, ist das erklärte Ziel des Buchs. Bei Uwe Rada liegt die ,Hauptstadt der Verdrängung’ deshalb auf der Couch und offenbart in elf Sitzungen ihren schizophrenen Charakter.

Der Autor mit abgebrochener Karriere als Student und Hausbesetzer verfolgt als Lokalredakteur der Berliner Tageszeitung taz weniger die neugebaute Architektur denn die damit einhergehenden sozialräumlichen Entwicklungen der Stadt. Die Veröffentlichung umfaßt den Zeitraum des Häuserkampfs über die mehr oder weniger behutsamen Stadterneuerungen bis hin zur “neuen Gründerzeit” nach der Hauptstadtentscheidung. Uwe Rada beharrt auf einer journalistischen Perspektive, mit gebanntem Blick fürs Detail, welche im Laufe der knapp 240 Seiten allerdings auch zu greifbareren Positionen gerinnen könnte. Zugleich bildet seine Veröffentlichung einen raren Kontrast zu den vielen Bildbänden, welche dem Erscheinungsbild gewidmet sind.

Höhepunkte seines Buches bilden die zahlreichen Beobachtungen der konkret an Orten und Personen entfalteten Wendemarken: Feierte zum 750. Stadtjubiläum die Ausstellung ,Mythos Berlin’ noch voller Stolz das widersprüchliche Westberlin und deren städtische Akteure, so propagiert zehn Jahre später und einen Steinwurf entfernt die rotlackierte Info-Box eine Erlebniswelt für passive BenutzerInnen. Dirk Nishen, vormals Kreuzberger Verleger historischer Berlinfotografien von Not und Obdachlosigkeit, ist nun Promoter und…

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