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Editorial · S. 1 - 14
Editorial , 1982

Zu diesem Heft

Wenn der Finger auf den Mond zeigt, schaut der Dumme auf den Finger, diese chinesische Weisheit befindet sich in der Sammlung von Wandinschriften des Pariser Mai, die Louis Peters 1968 vor Ort gesammelt hat (Rebellion in Frankreich, zusammen mit E.M. Claassen, München 1968). Wenn solche Weisheiten auf Mauern erscheinen, reinigt die zuständige Behörde die Mauer. Solche Kurzsichtigkeit mag dem Spott des chinesischen Sprichworts anheim fallen, juristisch betrachtet ist sie zu Recht mancher Weisheit letzter Schluß. Schließlich sind Wandbeschriftungen dann strafbar, wenn sie den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllen, und dieser Tatbestand ist aus naheliegenden Gründen jüngst juristisch praktiziert worden, er bemißt sich folgerichtig an Aufwand, der getrieben werden muß, um ein Graffiti zu entfernen, und nicht etwa an dessen artistischer Qualität.

Für Juristen mag es unerheblich sein, daß die neue Spray-Poesie die vom Feuilleton scharf bewachte Grenze zu Kunst und Literatur bereits anstandslos passiert hat, Anerkennung und Sympathisanten findet diese Gattung der schnellen Künste allemal. Was solcherart zumeist bei Mondlicht entsteht, verdient, daß man nicht nur strafend mit dem Finger darauf zeigt. In diesem Heft werden Graffiti gezeigt, die den Erfolg dieser Volkskunst plausibel erscheinen lassen, einige Stichworte zur Ästhetik dieses einfachen Mediums sollten doch den Gebildeten unter seinen Verächtern einleuchten dürfen. Abgedruckt sind auch die Gutachten, die Georg Jappe, Jean-Christophe Amman und Manfred Scheckenburger für das Internationale Künstler-Gremium (IKG) angefertigt haben, nachdem ein Schweizer Gericht den Arbeiten des Züricher Sprayers jeglichen künstlerischen Wert abgesprochen hatte.

Wandbilder, wie sie seit den 60er Jahren in den USA und Europa populäre Bestandteile der…

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