Hans-Dieter Fronz
André Breton – Dossier Dada
Kunsthaus Zürich, 9.12.2005 – 19.2.2006
Als zu Beginn des Jahres 1920 mit Tristan Tzara einer der Hauptakteure des Dadaismus von Zürich nach Paris übersiedelte, hatte sich Dada in der Schweizer Metropole bereits ein wenig totgelaufen. In Paris aber wurde der Neuankömmling mit seinem dadaistischen Vertreterkoffer in der Hand wie ein Heilsbringer empfangen. Mit Dada würde man den Sprung von den Feuilletonseiten der Zeitungen ins Ressort “Unglücksfälle und Verbrechen” schaffen, hoffte André Breton. Die Kultur würde aus dem Elfenbeinturm heraus und ins Leben eintreten, die gepflegte Langeweile der Lesungen und Soirées ein Ende haben.
War doch, seit die dadaistische Bewegung 1916 im Zürcher “Cabaret Voltaire” ihren Ausgang nahm, der Skandal ihre eigentliche Signatur – als unvermeidliche, nein: willkommene Begleiterscheinung des lauten Protests gegen eine Gesellschaft, die in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs die Maske ihrer Zivilisiertheit abgelegt hatte. Bretons Hoffnung auf Publizität war den Intentionen des Dadaismus also keineswegs äußerlich. Streit und Provokation bis hin zur Handgreiflichkeit gehörten zu den Mitteln, mit denen die Dadaisten ihre Sache verfochten. Und Öffentlichkeit war nicht lediglich eine wesentliche Bedingung ihres Tuns, sondern gleichsam ihr Lebenselement. Nicht nur produzierten die Aufrührer unablässig Zeitschriften, Flugblätter, Handzettel und Manifeste, in denen sie die ästhetischen und Moralvorstellungen ihrer Zeit attackierten und unterm Deckmantel des Nonsens eine Umwertung aller Werte betrieben. Die Dadaisten machten den Medienhype vielmehr zum integralen Bestandteil ihrer Aktionen.
So gesehen war es ein kulturgeschichtliches Ereignis erster Güte, als vor einigen Jahren bei einer Auktion in Paris ein Album aus dem Nachlass Bretons…