Brief aus München
Ungeachtet des neuerwachten Selbstbewußtseins der Europäer huldigte man hier in München in den vergangenen Monaten dem alten amerikanischen Mythos. Da gab es im Haus der Kunst ‘Amerikanische Malerei 1930-1980’ und im Stadtmuseum ‘Painters of the American West’, Meisterwerke aus der Anschutz Collection. Dann übernahm die Städtische Galerie im Lenbachhaus die Warhol Retrospektive von der Kestner-Gesellschaft Hannover, die 1961 ansetzte, aber den Schwerpunkt auf die Arbeiten der letzten Jahre legte und so auch die neueste Serie, die ‘Myths’ vorstellte, die gleichzeitig bei Schellmann und Klüser im Rahmen einer Verkaufsausstellung zu sehen war. In der 10teiligen Folge der amerikanischen Mythen werden die Identifikationsklischees des Durchschnittamerikaners wie Mickey Mouse, Superman und Uncle Sam vorgeführt, in ihrer Problematik andeutungsweise durchleuchtet, aber nie der Lächerlichkeit preisgegeben, weil sich Warhol der Masse zugehörig fühlt. So schließt das Porträt des Uncle Sam (vgl. Abb.) die Diagnose einer Krankheit mit ein, aber doch bleibt ein Funken von Bewunderung und Ehrerbietung.
Die Privatgalerien allerdings haben sich ganz auf Europa eingestellt. Vielfach besinnt man sich auch wieder stärker auf die engere Umgebung. Darin hat gerade die Galerie am Promenadeplatz schon immer viel Mut bewiesen. Diesmal stellte sie in einer Gedenkausstellung das Werk eines im letzten Jahr mit 26 Jahren verstorbenen jungen Künstlers vor, Bernd Gaitzsch, der gerade begonnen hatte, aus dem Atelier heraus in die Öffentlichkeit zu treten. Die Ausstellung war äußerst sparsam eingerichtet: ein paar Steine, Spiegel und viel leerer Raum. Das entspricht ganz der früheren Ateliersituation. In der Konzentration auf das wenig Wichtige begegnet uns Kunst nicht…