Emma Talbot
Im nie abreissenden Strom eines bedrohlich schönen Universums
Emma Talbots Zwischenetappen auf einer vor Jahrzehnten gestarteten Reise
von Annelie Pohlen
„Herr sei mit uns! Was soll derart ,kindlich anmutende Ästhetik‘1 in einer Gesellschaft, die begierig in den virtuellen Kosmos abhebt, in der künstliche Intelligenz als Heilsbotschaft längst im Alltag greift? Lässt sich deren potentielle Bedrohung ausschalten oder doch mindestens minimieren durch eine vollends aus der Zeit gefallene Handwerklichkeit…“, so lautete meine Frage 2017.2
Ausgelöst hat sie Emma Talbot im Neuen Aachener Kunstverein.
Fünf hochformatige Rechtecke reihen sich leicht versetzt von der Decke bis zum Boden durch den lang gestreckten Ausstellungsraum. Jeder noch so kleine Luftzug versetzt die dort chiffrierten Botschaften in tänzelnde Schwingungen. Open Thoughts ist ihre erste Ausstellung in einem öffentlichen Institut in Deutschland betitelt.
Sie ist eine der frühen Etappen einer universalen ‚human experience‘ unzähliger gesichtsloser Figuren, die auf Seide und Papier handgezeichnet und gemalt, in Installationen und Skulpturen und ab 2019 digital animiert ihren multimedialen Kosmos bevölkern. Im Hier und Jetzt rasant beschleunigter Kommunikation, in dem die Grenzen zwischen perfektionierter Täuschung und Wirklichkeit, zwischen künstlicher und humaner Kreativität zunehmend verschwimmen, kann der selbst KI affine Besucher ins Grübeln stürzen.
Am Ende des Parcours durch zeitlose Mythen, utopische Visionen, alltägliche wie fantastische Erfahrungen posiert dieses Ich als „Woman-Bird“ mit ausgebreiteten Schwingen, als könnte ein so fragiles vogelartiges Wesen all die surrealen Lebewesen mit gesichtslosen Köpfen, die in brillierende Stoffschuppen gehüllten Schlangen, die schnöde Mikroständer umschmeicheln, vor dem zunehmend fremden Außen schützen. Aus diesem organoid wie geometrisch gemusterten, bestenfalls an der Oberfläche aufgeräumten Theater…