Relektüren
Folge 66
Rainer Metzger
„Daß die Künste über die Höfe zu einer höheren Bestimmung fanden“ so setzt Martin Warnke zum Schlusssatz seines Buches über die Hofkünstler an, „ist weniger ein Kapitel ihres Ruhmes als ein Kapitel ihrer Leidensgeschichte“ (S. 328). Dieses Fazit ist von derart romantischer Künstlerlegendarik, dass man ihm das Systemsprengende, für das der Name Warnke in der Geschichte der deutschen Kunstgeschichte steht, schwerlich anliest. Das Schicksal des Künstlers – und es sind mit Ausnahme der in diesem Kontext notorischen Sofonisba Anguissola auch bei Warnke ausschließlich Männer – ist Melancholie, die dadurch auch Signatur des Genialen wird. Da bringt, so scheint es, auch ein sozialhistorischer Ansatz nur die alten Vorstellungen ans Tageslicht. Die Vorgeschichte des modernen Künstlers landet bei der Erkenntnis, wie sie, exemplarisch vertreten durch Gustave Courbet, Vincent van Gogh, Marina Abramović, immer schon inszeniert worden ist: Kunst muss wehtun.
Warnke selbst, geboren 1937 als Sohn eines protestantischen Pastors im brasilianischen Ijui, ist schlagartig berühmt geworden im April 1970. In Köln wurde der deutsche Kunsthistorikertag gegeben, auf dem Warnke zusammen mit Leopold Ettlinger eine Sektion leitete, die durchaus auf Konsens getrimmt mit Das Kunstwerk zwischen Wissenschaft und Weltanschauung betitelt war. Sie versuchte sich an einem vorsichtigen Stück Aufarbeitung eines Problems, das akut geworden war im Aufeinanderprall der neuen Linken mit den alten Rechten, des Problems also der ideologischen Vereinnahmung von Kunst, das die eine Seite jeweils der anderen in die Schuhe schob. Warnke selbst sprach dabei über das Thema Weltanschauliche Motive in der historischen Populärliteratur, und es war eine veritable…