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Titel: Existenz am Limit · von Oliver Zybok · S. 34 - 61
Titel: Existenz am Limit , 2009

Oliver Zybok
Inskriptionen zwischen Kunst und Wissenschaft

I. Die Idee der Selbstbestimmung

Wie kann der Mensch mit den Belastungen durch die Geschichte und im Sog permanenter Veränderungen leben? Durch Selbstbestimmung, in der die Freiheit des Menschen zu ihrem praktischen Ausdruck gelangt – sie wird in den Anspruch einer individuellen Verfügung über das Leben übertragen. Der Begriff der „Selbstbestimmung“ wird erstmals in der uns geläufigen Form von Immanuel Kant (1724 – 1804) thematisiert. Er übertrug den in der Botanik noch heute verwendeten Terminus der „Bestimmung“ (im Sinne von „Definition“ bzw. „Determination“) auf das praktische Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Dabei berief er sich auf die seit mehreren Jahrzehnten gebräuchlichen Verwendungen von „determinatio sui“ und „self-determination“ bei Spinoza (1632 – 1677) und John Locke (1632 – 1704), zudem kam ihm die bereits praktische Bedeutung des deutschen Wortes entgegen. Der Berliner Theologe Johann Joachim Spalding (1714 – 1804) ging in seinem Buch über die „Bestimmung des Menschen“ (1748) nach stoischem Vorbild davon aus, dass der Mensch das göttliche Geschick zu begreifen und in seine eigene, bewusst zu lebende Bestimmung umzusetzen habe. Der Begriff der Selbstbestimmung stand zu jener Zeit vor seiner Ausformulierung. Um die Autonomie des Willens zu bezeichnen, in der ein Mensch zu seiner eigenen Verantwortung gelangt, verwendet Kant ihn daher auch, als habe es ihn schon immer gegeben. Was er zur Begründung der Freiheit, zum Primat der Vernunft, zum Selbstzweck der Person und zur Unbedingtheit des Sittengesetzes schreibt, trifft im Begriff der Selbstbestimmung zusammen. Daran knüpfen seine Zeitgenossen und Nachfolger nahtlos an….


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