Almut Linde
Radical Beauty
Ein Gespräch von Oliver Zybok
Im Fokus des Dirty Minimal, der künstlerischen Arbeit von Almut Linde, stehen die wesentlichen Fragen unserer Zeit. Sie untersucht, wie gesellschaftliche Prozesse die Welt formen und was das Handeln des Individuums über die sozialen, psychologischen, ökonomischen und politischen Zwänge der Strukturen enthüllt. Aus sozialen Ordnungseinheiten wie dem Militär, der Industrieproduktion oder Grenzbereichen menschlicher Existenz wie Menschenhandel und Zwangsprostitution extrahiert Linde signifikante Formen, indem sie unter anderem Methoden der Minimal Art und Concept Art auf reale Begebenheiten anwendet. Die resultierenden Fotografien, Videos, Skulpturen und Installationen zeigen die Komplexität von Kräften und Abhängigkeiten der modernen globalisierten Gesellschaft und deren nichtintendierte Folgen (Dirt). Die jahrelange Arbeit in einem Künstlerkollektiv (Linde Ludeña Sierra) hat sie auf die Praxis der Arbeit mit Nicht-Künstlern in sozialen Systemen erweitert.
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Oliver Zybok: Von 1988 bis 1994 hast Du in einem Kollektiv mit Santiago Sierra und Manuel Ludeña neue konzeptuelle Strategien entwickelt, die Fragen nach dem Öffentlichkeits- und Realitätscharakter von Kunst, wie sie von Vertretern des Minimalismus seit den 1960er Jahren gestellt wurde, kritisch reflektieren. Du hast in diesem Zusammenhang zwei Begriffspaare ausformuliert: „Dirty Minimal“ und „Impuls Minimal“. Könntest Du sie kurz erläutern?
Almut Linde: Im Frühjahr 1988 ging ich nach Madrid. An der HfbK Hamburg war ich unzufrieden mit einem allgemein verfolgten selbstreferentiellen Kunstbegriff, den ich als überformalistisch und nicht genügend mit der realen Welt verbunden ansah. Die Kunst drehte sich nur um sich selbst. Für mich stellte sich die Frage: Wie kann Kunst mit Realität umgehen, ohne formlos zu sein? In Spanien…