Achim Wollscheid
Kooperation, SELEKTION
Mitte der 70er Jahre hat die Pop-Musik nach ihrer durchgängigen Kommerzialisierung (Beispiele: die inszenierte Disco-Kultur: “Boney M” und die Industrialisierung des Taktmaßes: “ABBA” – von vorn wie von hinten -) und einer Phase allgemeiner Akademisierung (Schnell- und Richtig-Spieler – “Al di Meola”) einen Zustand nie dagewesener Öde erreicht. Die Zeitzeugen der ersten Stunde sind tot, es blüht ein allgemeiner Ahnenkult, die Revival-Zeit beginnt und wird nicht mehr aufhören (Adenauer).
Mit Pop-Musik ist sehr viel Geld zu verdienen, und die Großverdiener des Business gründen eigene Produktions- und Vertriebsgesellschaften (Led Zeppelin). Der institutionalisierte und gesellschaftlich sanktionierte Pop-Protest erweist sich, was die Vermarktungsstrategien angeht, als sehr kreativ. Im Sinne einer linearen Ausbreitung werden mehr und mehr Branchen des Marktes vereinnahmt, die ersten Pop-Kartelle entstehen.
In diese Zeit fällt folgerichtigerweise der Versuch, die Marktmechanismen und nicht tradierte musikalische “Inhalte” zur Grundlage einer neuen Musikrichtung zu machen – der PUNK wird gemacht: musikalisch in Form eines aufgeheizten, beschleunigten Eklektizismus, programmatisch in Art einer zynischen Bestandsaufnahme der in der Marktsoße eingedickten alten Ideale – wiewohl der PUNK jedoch keineswegs darauf verzichten will, sogar unter Hinweis auf die eigene Strategie, sich an dieser Soße sattzuessen. Die Pop-Kultur, immer schon selbstreferentiell, eröffnet eine weitere Bezugsebene: Es entsteht die paradoxe Situation, daß die von einigen als Befreiung apostrophierte sogenannte PUNK-Bewegung die Eindickung beschleunigt statt beseitigt – the great Rock-n-Roll Swindle.
Der vorgeführte krude musikalische Eklektizismus wird allerdings von vielen musizierenden Dilettanten falsch oder anders verstanden: Für sie ist die gefallene musiktechnische Schwellenangst Anlaß, die in der Pop-Gruppe vorhandene Selbstverständlichkeit…