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Titel: Künstlergruppen · von Cora Schoenemann · S. 288 - 290
Titel: Künstlergruppen , 1991

Cora Schoenemann
Gruppe Mattheus

Keine Fallenstellerei

Aus der Verweigerung der Lüge müssen Geschichten entstehen: Die Künstlergruppe MATTHEUS bekennt sich zur Narration. Ein lebensgroßer Frauenakt im Stil der 30er Jahre trifft auf eine blau leuchtende Plexiglaswand, welche der Erotik des warmen Lindenholzkörpers ihre spezifisch nüchterne Gefühlswelt entgegenstellt. Der Konflikt, den die unterschiedlichen Materialien evozieren, wird auf den Betrachter übertragen – dieser quantifiziert die Polarität und ist damit unmittelbar in die Atmosphäre einer bildnerischen Inszenierung geraten.

Eine bildnerische Inszenierung setzt sich insofern ab von Environment oder Installation, als sie den selben heuristischen Wert besitzt – eine Sprachlücke wird gefüllt, wo überkommene Begriffe nicht mehr fassen. Verfolgt man die Entwicklung der Gruppe MATTHEUS im letzten Jahr, so liegt das Theater als impulsgebendes Medium nahe.

Eine Gipsbüste Friedrich Schillers erscheint in einer Gruppe gelber Plexiglaskästen, durch die sie im Raum definiert wird. Die strenge geometrische Form der vier Kästen konkurriert mit einer anthropomorphen, der rechte Winkel mit gipsernem Lockenhaar. Bezieht die Büste ihren eigenen sinnstiftenden Rahmen aus einer Kunsttradition des Biedermeier, so wird dieses Zitat sofort mit einem vorgeblichen Sterbejahr Schillers ironisiert: 1848 – er hätte die Paulskirche miterlebt. Das Porträt des großen Dichters als alter Mann wird unausgesetzt beleuchtet, es kann sich der gelben Lichtpotenz nicht entziehen, die einen visuellen Schmerz erzeugt.

Auch in anderen Arbeiten der Gruppe finden sich analoge Antipoden. Das Plexiglas als Grundstoff einer eingefrorenen Wirklichkeit tritt nie tatsächlich mit dem traditionellen Werkstoff Holz, Gips oder Lehm in Kontakt. Da die Arbeiten keine Titel tragen, verweist das Material immer nur auf sich selbst. Plexiglas erscheint…


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von Cora Schoenemann

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