Thomas Wimmer
I Nazareni – die klösterliche Utopie
Indes ist es ein Trost, daß es in allen Künsten dasselbe ist, da die Maler es hier nicht besser machen. Es sind furchtbare Leute, wenn man sie in ihrem Cafe Greco sitzen sieht … Das ist ein kleines, finsteres Zimmer, etwa acht Schritt breit, und auf der einen Seite der Stube darf man Tabak rauchen, auf der anderen aber nicht. Da sitzen sie denn auf den Bänken umher, mit den breiten Hüten auf, große Schlachterhunde neben sich, Hals, Backen, das ganze Gesicht mit Haaren zugedeckt, machen einen entsetzlichen Qualm, sagen einander Grobheiten; die Hunde sorgen für die Verbreitung von Ungeziefer; eine Halsbinde, ein Frack wären Neuerungen; – was der Bart vom Gesicht frei läßt, das versteckt die Brille, und so trinken sie Kaffee und sprechen von Tizian und Pordenone, als säßen die neben ihnen und trügen auch Bärte und Sturmhüte! Dazu machen sie so kranke Madonnen, schwächliche Heilige, Milchbärte von Helden, daß man mitunter Lust bekommt dreinzuschlagen …”1
Diese Bemerkungen notierte der Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy im Dezember 1830. Die Zielscheibe seiner sarkastischen Worte war eine in Rom ansässige Künstlerkolonie, die durch den Rückgriff auf die Ideale des christlichen Mittelalters Kunst und Leben reformieren wollte: die Nazarener.
Die Kunst der Nazarener gilt bis heute, trotz oder vielleicht gerade wegen ihres nachhaltigen Einflusses auf die populäre Malerei in Deutschland auch noch im 20. Jahrhundert als ein nicht weiter beachtenswerter Nebenzweig innerhalb der stürmischen Entwicklung bildender Kunst um 1800. Diese Einschätzung speist sich in erster Linie aus dem…