Christian Kravagna
Körper und Körper
Grazer Kunstverein im Stadtmuseum, Graz, 6.10. – 14.11.1991
Das die Straße vor dem Stadtmuseum umspannende Transparent mag die Erklärung dafür abgeben, weshalb die Problematik des Körpers heute wieder an künstlerischer Brisanz gewinnt. “Condoms and clean needles save lives as surely as the earth revolves around the sun”, so lautet die Botschaft von Gran Fury. Ging die Hochkonjunktur der den Körper thematisierenden Kunstformen wie Aktionismus und Body-art in den 60er und 70er Jahren einher mit einer allgemeinen, insbesondere sexuellen Liberalisierung, so streicht heute die unheilbare Krankheit den Körper nicht mehr als ein Feld der Freiheit heraus, sondern als eines tödlicher Bedrohung. Mit Aids erhebt sich das Fleisch zur Konterrevolution gegen die Herrschaft der Simulation. Ins Spiel der Zeichen mischt sich ein Moment schmerzhafter und angsterregender Greifbarkeit. Krankheit und Tod erst verhelfen dem Körper erneut zu seiner Stellung als zentraler Kategorie bei der Befragung des menschlichen In-der-Welt-Seins.
Die vom Grazer Kunstverein unter Elisabeth Printschitz zusammen mit dem Galeristen Peter Pakesch konzipierte Ausstellung will weder eine historische noch eine systematische Darstellung des Themas leisten, sondern möchte lediglich “aktuelle Formen der Auseinandersetzung mit dem Körper zeigen”. (Veranschaulicht unter anderem durch Künstler wie Miroslaw Balka, Meg Cranston, Joe Scanlan, Hartmut Skerbisch, Kiki Smith.) Wenn auch gegen die dabei angestrebte “größtmögliche Verschiedenheit” an sich nichts einzuwenden wäre, so hätte man sich doch, um der Gefahr der Beliebigkeit zu entgehen, vorab die Überlegung gestatten sollen, inwieweit etwa der Farbkörper mit dem menschlichen Körper jenseits ihrer Gemeinsamkeit als “res extensa” noch auf einen Nenner gebracht werden…