Link in Bio
Kunst nach den sozialen Medien
von Anika Meier
Es wirkt immer leicht verzweifelt, wenn auf Instagram in einer Bildunterschrift der Satz „Link in Bio“ steht. Das ist, als würde man auf einen Werbeprospekt einen Sticker mit dem Hinweis „Lies mich“ kleben. Jerry Saltz, der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Kunstkritiker, ließ seiner Verzweiflung kürzlich freien Lauf. Er schrieb: „Please click on the link in my profile (above) for a long read“ (‚Bitte klicken Sie auf den Link in meinem Profil (oben) für die erweiterte Lektüre‘), es folgte die Kurzzusammenfassung seines Textes, dann: „Give a click at least … xo“.1 Also, leicht quengelig: jetzt klickt doch endlich, Küsschen, Küsschen. Das ist, als würde man auch in der Innenstadt Passanten hinterherlaufen, die keinen Werbeflyer möchten, und ihnen hinterherrufen. Warum tun die das? Weil es auf Instagram nicht wie beispielsweise bei Facebook und Twitter möglich ist, einen anklickbaren Link zu setzen. Das geht nur an einer Stelle, nämlich in der so genannten Bio. Instagram möchte nicht, dass die Nutzer die App verlassen, die Nutzer möchten das im Zweifel auch nicht, also muss man sich etwas einfallen lassen wie so ein verzweifelter Werbeprospektverteiler. Küsschen, Küsschen.
Ende Juni 2018 meldete das soziale Netzwerk eine Milliarde aktive Nutzer, 500 Millionen sind täglich aktiv, in Deutschland sind es 15 Millionen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Masse der potentiell erreichbaren Menschen ist groß. Der Nachteil: Die Konkurrenz auch. Im Jahr 2011 wies der Künstler Evan Roth auf die Möglichkeiten hin, die das Internet bietet. Die Net.Art war…