59. Biennale Venedig: Gespräche
melanie bonajo
Wenn der Körper Ja sagt
Heinz-Norbert Jocks: Der niederländische Pavillon, früher in den Giardini, ist auf dem Campo dell’Abazia, Cannaregionie umgezogen.
melanie bonajo: Ja, denn wir haben den Pavillon mit Estland getauscht und zeigen in einer leeren Kirche eine immersive Videoinstallation. Der Aufführungsraum ist zu einem bunten Kissenparadies gestaltet, das auf erigierten Klitorides basiert. Dazu ermunternd, Schuhe auszuziehen, es sich gemütlich zu machen und hinzulegen, zu kuscheln, zu entspannen, sich in verschiedenen Texturen wiederzufinden. Es geht um das Erleben und das Gefühl der Nähe zu anderen Körpern im Raum, während man der Aufführung eines Films über Praktiken der Berührung und Intimität beiwohnt. Vor uns eine Gruppe von Körpern internationaler queerer Menschen, von denen viele eine bikulturelle Identität haben. Sie befassen sich mit Sexualität jenseits des westlichen Diskurses, mit der Frage, was unsere Genitalien für uns und andere bedeuten. Mit Selbstausdruck als Heilmethode und damit, wie unsere Körpermatrix Informationen über Nähe und Berührung sendet und empfängt und wie sich das in verschiedenen Sprachstrukturen niederschlägt. Es ist eine Einladung, über das eigene Wissen sowie darüber nachzudenken, ob die eigenen Bedürfnisse außerhalb einer sexuellen Beziehung in Bezug auf Berührung und Intimität befriedigt werden. Inwieweit kennen wir die Berührungssprache anderer Menschen, ob Arbeitskollegen, Freunde oder die eigene Familie? Gesprochen wird auch darüber, wie groß das Wissen über die eigenen Gefühle ist und ob sich dies in europäischen und nordamerikanischen Raum kommunizieren lässt.
Die Arbeit basiert auf einer Praxis aus der HIV-Bewegung, die sich sexologische Körperarbeit und somatisches Sex-Coaching nennt….