Hermann Pfütze
Nadav Kander / Robert Polidori
»Yangtse – The Long River / Pripyat and Chernobyl«
Galerie Camera Work, Berlin, 22.1. – 27.3.2011
Joseph Schumpeters geflügeltes Wort von der „schöpferischen Zerstörung“ als Prinzip kapitalistischer Wirtschaft (in: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1942) scheint in diesen Bildern zweifach sich zu erfüllen: Die progressive Zerstörung der alten Natur, wie hier entlang des Yangtse, bringt am Ende – wie in Tschernobyl und gegenwärtig in Japan – eine neue zerstörerische Natur atomarer und klimatischer Dynamik hervor. Das ist das unbeherrschbare Risiko hypertrophischer Weltveränderung, das gegenwärtig schreckliche Wirklichkeit wird.
Nadav Kander machte 2006 und 2007 mehrere Reisen den Yangtse stromaufwärts, von der Mündung bei Shanghai bis zu den Quellen im äußersten westlichen Hochland an der Grenze zu Tibet, auf etwa 5.000 Metern Höhe. Aus dem Bildband mit 74 Fotografien in sehr guten Reproduktionen war im letzten halben Jahr in London, Kopenhagen und jetzt in Berlin zum ersten Mal eine Auswahl von achtzehn Großformat-Abzügen zu sehen, als sorgfältig bearbeitete „archival pigment prints“ auf Aluminium.
Auf den Bildern aus Yibin am Oberlauf ist der Boden oft schwarz vom Kohlenstaub. Hier sind die Kohleminen, von denen die Frachter kommen, die stromabwärts beim Drei-Schluchten-Damm zu sehen sind. Chongqing wiederum ist die größte Stadt am Yangtse mit etwa 27 Millionen Menschen, und die Chaotianmen-Brücke dort ist die längste Bogenbrücke der Welt. Die meisten Bilder Kanders zeigen riesige Baustellen, oft Brücken, Straßen und Hochhäuser, aber keine Arbeiter. Entweder sind gar keine Menschen zu sehen oder nur wenige als winzige Figuren – beim Picknick, beim…