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Titel: Schönheit I · von Jürgen Raap · S. 132 - 143
Titel: Schönheit I , 2008

Jürgen Raap
Naturwahrnehmung

Physische Attraktivität und ihre Vergänglichkeit

Max Ernst berichtet in seinen biografischen Notizen von der Kindheit in der rheinischen Kleinstadt Brühl: Eines der ihn künstlerisch prägenden Erlebnisse war an jenem Tag passiert, an dem sein Vater Philipp Ernst als Hobbymaler „nach der Natur“ ein Aquarell von der Ansicht des Gartens hinter dem Wohnhaus der Familie schuf. Weil jedoch ein Baum in der Mitte des Gartens die Bildkomposition störte, verzichtete der Vater einfach darauf, ihn zu malen. „Jetzt kommt der Gewissenskonflikt: Muss der Baum im Garten ebenfalls ‚daran glauben’? Max erinnert sich heute nicht mehr mit Sicherheit, ob er daran glauben musste oder nicht. Er erinnert sich jedoch (mit Sicherheit), dass ihm damals eine Ahnung aufging: Da muss etwas nicht stimmen in der Wechselbeziehung zwischen Maler und Modell!“ (1)

In jenen Kindheitstagen des späteren Dadaisten und Surrealisten malte sein Vater ebenso den „Mönch von Heisterbach“. Der „kleine Max“ ist von der Detailgenauigkeit des Sujets fasziniert: „Alle Buchenblätter mit fast besessener Beflissenheit gemalt, ein jedes in seiner eigenen Alleinigkeit hartnäckig verschlossen; und doch einer Gemeinschaft unterworfen: der Buche, dem Wald…“ (2).

Als Künstler wuchs Max Ernst in eine Zeit hinein, in der die ästhetischen Beziehungen zwischen der (Natur)wirklichkeit und deren Abbild neu definiert wurden. Die Formensprache des Kubismus und des Expressionismus bedeutete einen radikalen Bruch mit einer 500 Jahre alten Stiltradition. Hatten nämlich die Maler des Mittelalters Tiere und Pflanzen noch recht schematisch dargestellt, so setzte sich im 15. Jh. zunächst bei den Gebrüdern van Eyck und dann im frühen 16. Jh. auch…


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