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Titel: Schönheit I · von Martin Seidel · S. 38 - 39
Titel: Schönheit I , 2008

Schönheit I

Herausgegeben von Jürgen Raap und Martin Seidel

Schönheit scheint ein selbstverständlicher Begriff zu sein. Doch Zweifel sind angebracht. Was ist Schönheit? Philosophen, Künstler, Kunstvermittler und Betrachter sinnieren darüber seit zweieinhalbtausend Jahren – mit unterschiedlichen Erkenntnissen. Schönheit ist einer immensen Wertschätzung ausgesetzt oder umgekehrt großen Vorurteilen. Hochachtung oder Geringschätzung, dazwischen gibt es nicht viel.

Besonders bei den Avantgardisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts geriet akademische Schönheit in den Verdacht, ein inhaltsleeres formales Geplänkel zu sein. Nach der Erfahrung der Ästhetisierung totalitärer politischer Systeme war die Skepsis gegenüber der Schönheit “nach ’45” verständlich. Man unterstellte die Vorspiegelung falscher Tatsachen und forderte in der Annahme, schöne Kunst sei dekorativ und nichts als der vielbeschworene schöne Schein, eine engagierte Kunst.

Überall, wo es um Geld und Macht geht, wird Schönheit als strategisches Mittel missbraucht. Doch lässt falsche oder instrumentalisierte Schönheit nicht aufs Scheitern der Schönheit schlechthin schließen. Obwohl Schönheit nie wirklich weggetaucht war, zeigen sich in den letzten Jahren Tendenzen, die das Schöne herbeisehnen und herbeireden. Aus der biologischen Notwendigkeit des Schönen als Attraktivitätsfaktor im Lebenskampf leiten Künstler und Philosophen die geistige, sinnliche und psychologische Unabdingbarkeit des Schönen ab. Mehrere Ausstellungen widmeten sich der Schönheit. Sie propagierten eine neue Sinnlichkeit, suchten das Schöne in der Anmutung der Themen, der Formen und Farben und Materialien, setzten auf die schlichte Eleganz der Kunst oder auf Glanz und Glamour.

Die Frage bleibt: Was ist das Schöne? Marcel Duchamp lehnte den Netzhautkitzel des Schönen ab. Viele Künstler des 20. Jahrhunderts wandten sich erst dem Deformierten und Hässlichen, dann dem Zufälligen, Prozessualen,…

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