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Titel: Zeichnen zur Zeit · von Hannelore Paflik-Huber · S. 80 - 88
Titel: Zeichnen zur Zeit , 2009

Hannelore Paflik-Huber
nur dieses jetzt ist / jetzt

Zeiterleben im Medium Zeichnung

Zeit-Vorgabe

Jede Zeichnung ist per se eine visuelle Manifestation von Zeit. Dieses künstlerische Medium bietet die Option, einen Ablauf, Verlauf, eine zeitliche Unterbrechung, einen Augenblick, Dauer, Simultaneität, und so weiter direkt und zu jedem Zeitpunkt abzulesen. Die Dauer des Zeichenvorgangs kann dabei identisch sein mit der Betrachtungszeit.

Im Medium Zeichnung kann man einerseits das Denkmodell von Heraklit erkennen, dass alles einem ständigen Werden unterliegt und Zeit ein irreversibler unumkehrbarer Ablauf ist. Andererseits lässt sich aber genauso die These von Parmenides in der Zeichnung veranschaulichen, dass jede Veränderung nur scheinbar und Zeit ein reversibles Parameter ist, wie es der kolumbianische Künstler Oskar Muñoz in seiner Video-Arbeit Re/trato von 2003 zur Anschauung bringt. Er zeichnet mit Wasser ein Portrait auf einen Stein. Sobald er die Gesichtszüge umrissen hat, ist der erste Strich verdunstet und er beginnt von neuem. Scheinbar endlos.1

Innerhalb der breit gefächerten Literatur zu dem Phänomen Zeit gibt es grob aufgeteilt zwei Gruppen. Zum einen diejenigen, die den berechtigten Versuch unternehmen, die Unfassbarkeit von Zeit in einem populistisch formulierten Ansatz zu „fassen“ und diejenigen Publikationen, die einen einseitigen Reduktionismus des Zeitbegriffes vornehmen, um auf diese Weise einen Teilaspekt von Zeit detailliert und im jeweiligen Fachjargon zu definieren. Beide Gruppierungen haben ihre Berechtigung, da die Fragen, die wir an dieses ontologische Phänomen par excellence stellen, existenzielle Fragen sind.2

Das Phänomen Zeit in der Gegenwartskunst muss man meines Erachtens interdisziplinär und fachübergreifend diskutieren. Es wäre wie ein Anlaufen gegen die Zeit, eine auch nur annähernd begriffliche…


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von Hannelore Paflik-Huber

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