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Titel: Zeichnen zur Zeit · S. 40 - 49
Titel: Zeichnen zur Zeit , 2009

Reinhard Ermen

Und dann sieht man plötzlich
nichts anderes mehr als das …

Ein unproportioniertes Plädoyer für die Zeichnung

Man findet sie überall, denn jeder zeichnet. Schon auf der Straße ist sie zu finden, nicht nur weil es dort durchbrochene und durchgezogene Striche gibt, Zebrastreifen und Sperrfelder, sondern auch weil sie gelegentlich einfach weggeworfen wird. Weil jeder zeichnet, ist sie (manchmal) nichts wert. Ein viel beschäftigter Kulturmanager fertigt mit dem Kugelschreiber während des Interviews ein durchaus treffendes Selbstportrait und gibt es anschließend gerne aus der Hand, die Kinder verlieren ihre Fingerübungen aus den überfüllten Schulranzen, ein Ehegatte wirft den meisterlich konzipierten Einkaufszettel nach Gebrauch weg. Eine Krise der Zeichenkunst, was auch immer man darunter verstehen mag, hat es nie gegeben; in den einschlägigen Kreisen spricht man sogar von einer Art „Boom“. Die Preise steigen, die kleinen Sammler zittern. Aber vielleicht hat die aufziehende Wirtschaftskrise das längst schon zurechtgerückt. Ist alles Zeichnung? Das über Monate abgestotterte Blatt eines viel versprechenden jungen Stars, die Kritzelei aus der Schule genauso wie der Einkaufszettel? Vorerst ja, Eingrenzungen mögen später kommen und helfen! Alles ist Zeichnung! Die leicht herzustellende (klassenlose) Universalität hat etwas Berauschendes. Es geht um ein demokratisches Medium. Alle zeichnen und alle fotografieren. Doch das Foto, das die hohe Kunst und den tagtäglichen (professionellen) Umgang genauso kennt wie die Zufallsprodukte der Massen, stellt sich durch seine Technik noch etwas mehr in den Weg der freien Ausübung überall und nirgends. Die umständliche Chemie mag tot sein, aber auch Siebenmillionen Pixel verlangen ein Minimum an Vorwissen und EDV-Erfahrung….

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